Wolfgang Otto Hermann Vogler wuchs in Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) auf. Sein Bruder war drei Jahre jünger als er. Seine Eltern waren geschieden und jeweils neue Ehen eingegangen. Zu seiner Mutter hatte er eine enge Beziehung. Zwei seiner Onkel lebten in der Bundesrepublik, eine Tante in Österreich. Von November 1966 bis April 1968 diente Wolfgang Vogler in der Nationalen Volksarmee. Seine Ehe wurde im August 1973 geschieden. Der gelernte Landmaschinen- und Traktorenschlosser war beim Verarbeitungskombinat der Wirtschaftsvereinigung Obst und Gemüse in Parchim beschäftigt. Am 25. Juni 1974 erhielt er wegen Verstößen gegen die Arbeitsdisziplin und Arbeitsbummelei die fristlose Kündigung.
Dieser schlechten Erfahrung folgte eine positive: Der 25-Jährige verliebte sich in eine Australierin namens Lily. Sie besuchte in diesem Sommer Verwandte in Parchim und blieb dort für zwölf Wochen. Die beiden frisch Verliebten träumten von einer gemeinsamen Zukunft. Die junge Frau konnte sich ein Leben in der DDR aber nicht vorstellen.
Am Sonntag, dem 14. Juli 1974, gegen 18.30 Uhr vernahm ein Bundesbürger von der Straße, die von Hohegeiß nach Benneckenstein führt, zwei Detonationen etwa 300 Meter südlich der Straße. Er rannte in diese Richtung, sah eine schwarze Wolke hinter dem Grenzzaun und einen Verletzten am Boden. Gleichzeitig kamen zwei Grenzsoldaten von ihrem Beobachtungsturm, um zu überprüfen, was geschehen war. Ohne dem Verletzten Erste Hilfe zu leisten, meldeten sie den Vorfall über das Grenzmeldenetz. Wenig später trafen weitere Grenzsoldaten ein. Der westdeutsche Zeuge konnte beobachten, wie der Verletzte an den Armen, auf dem Rücken liegend, in den nahe gelegenen Wald gezogen wurde. Er war mit einem weißen Hemd, einem dunklen Sakko und einer beigefarbenen Hose bekleidet. Gegen 19 Uhr wurde der in Decken gehüllte Verletzte auf die Ladefläche eines Transporters gelegt und in Richtung Sorge abtransportiert.
In dem dortigen NVA-Genesungsheim erhielt Vogler eine Bluttransfusion, seine Wunden wurden notdürftig versorgt. Der behandelnde Arzt ordnete seine weitere Versorgung im Kreiskrankenhaus Wernigerode an. Während dieser Fahrt war Wolfgang Vogler noch teilweise bei vollem Bewusstsein und konnte einige Angaben zu seinem Fluchtvorhaben machen. Demnach informierte er sich Anfang des Monats in einem Schulatlas über den Grenzverlauf im Harz. Vogler gab an, dass er zu seinen Verwandten in die Bundesrepublik wollte. Kurz entschlossen machte er sich am 5. Juli 1974 von seinem Heimatort Parchim auf den Weg und unternahm seinen ersten Fluchtversuch. Die Gefahr muss er als zu groß eingeschätzt haben, sodass er sein Vorhaben abbrach. Er besuchte Bekannte in Thale, wo er einige Tage verbrachte. Am 12. Juli 1974 machte er sich erneut auf den Weg zur Grenze, am 14. Juli traf er in Benneckenstein ein. Ein Fährtenhund der Grenztruppen verfolgte nach dem Zwischenfall Voglers Spur. So konnte rekonstruiert werden, dass er die Hundetrasse am großen Rappenberg etwa 100 Meter vor der Grenze überwand, die mit 19 Wachhunden besetzt war. Er kroch unter dem ersten Grenzzaun hindurch, den er mit einem Holzpfahl hochgestemmt hatte. Dann bewegte er sich im Schutz des Unterholzes weiter und überquerte, aus dem Walddickicht kommend, kriechend den Kolonnenweg. Um den letzten Grenzzaun zu überwinden, stellte er einen etwa 1,80 Meter langen Holzpfahl an den Zaun – direkt vor eine Selbstschussanlage. Zehn Meter weiter wollte er dann den Zaun überklettern. Dabei löste er drei Splitterminen (SM 70) aus, die ihn etwa drei Meter weit auf den Kontrollstreifen zurückschleuderten und schwer verletzten.
Nach seiner Bergung und einer Bluttransfusion im Krankenhaus Wernigerode überführte man Wolfgang Vogler gegen Mitternacht in die Medizinische Akademie Magdeburg. Dort erhielt er nochmals eine Bluttransfusion, bevor die Ärzte mit seiner Operation begannen. Die Mediziner dokumentierten seine Verletzungen wie folgt: Oberarmbruch rechts, Unterarm rechts Weichteilwunden, mehrere Weichteilwunden am Brustkorb, in der Bauchdecke, an beiden Beinen, offene Brustkorbverletzung rechts, mit Verletzung des rechten Lungenlappens, Verletzung des Zwerchfells, vierfache Leberverletzung, fünffache Dünndarmverletzung sowie Verletzung des Dünndarmkroeses. Wolfgang Vogler starb in den Nachmittagsstunden des 15. Juli 1974. Laut Obduktionsprotokoll erlitt er insgesamt 20 Treffer durch Splitter der Selbstschussanlagen.
Am 23. Juli 1974 ging bei der MfS-Hauptabteilung I in Berlin und beim Kommando der Grenztruppen in Pätz ein Chiffriertelegramm ein, das den „Mißbrauch der Dienstbefugnisse durch einen Offizier der Gt“ meldete. Nach Angaben des Regimentsarztes Dr. Herman Schmidt hatte der Kompaniechef der Grenzkompanie Sorge, Major Helmut Piotrowski, am 14. Juli 1974 dienstfrei. Sein Stellvertreter Oberleutnant Seifert benachrichtigte ihn unmittelbar nach der Minenauslösung durch Vogler von dem Vorfall. Major Piotrowski habe sich daraufhin sofort zur Grenze begeben und den Verletzten nach der Ersten Hilfeleistung vernommen. Dabei habe er seine Pistole auf den Verletzten gerichtet und geäußert: „Bist du allein, wer ist mit dir, Hund ich erschieße dich.“ Nach dem Abtransport des Verletzten zur Kaserne der Grenzkompanie in Sorge habe der Kompaniechef dort den Verletzten abladen und auf den Hof legen lassen. Danach erteilte er den Befehl zum Antreten der Kompanie und befragte im Beisein der Soldaten dann den Verletzten, wodurch die Umstehenden dessen Name Wolfgang Vogler und den Hergang des gescheiterten Fluchtversuchs erfuhren. Der kurz darauf eintreffende Regimentsarzt unterband sofort dieses Vorgehen des Kompaniechefs und kümmerte sich um den Schwerverletzten. In dem Chiffriertelegramm ist von „Einzelstimmen […] negativer Art“ aus der Kompanie die Rede. Zugleich heißt es, Major Piotrowski sei „als ein guter Kompaniechef bekannt, er ist stets bemüht Befehle und Weisungen konsequent in die Tat umzusetzen und überspitzt diese teilweise“. Die in dem Telegramm am Ende aufgeführten Maßnahmen sahen eine Information an den Kommandanten des Grenzkommandos Nord (GKN), Generalmajor Bär, „über den Sachverhalt“ und eine „Abstimmung weiterer Maßnahmen“ vor sowie eine „Konsultation mit dem Militärstaatsanwalt des GKN“. Darüber hinaus sollten „Absicherungsmaßnahmen“ im Bereich der Grenzkompanie Sorge eingeleitet werden und die „weitere Verfolgung des Stimmungsbildes in der Einheit“.
Zu den persönlichen Dingen, die Wolfgang Vogler bei sich trug, gehörten Personalpapiere, seine Geburtsurkunde, ein Blutspendeausweis, seine Fahrerlaubnis, eine Geldbörse und Teile einer Landkarte. Auch einen Brief an seine Freundin Lily fand man bei ihm. Darin berichtete er über den ersten Fluchtversuch: „Liebe Lily! Bitte entschuldige, daß ich erst jetzt von mir hören lasse, aber es war mir leider nicht eher möglich. Ich werde es morgen das zweite Mal versuchen. Das erste Mal ist es nicht ganz so nach meinen Plan gegangen. Bin die Nacht in den Bergen gewesen und konnte nicht weiter. Es ist doch nicht ganz so einfach, wie es vorher schien. Bitte drücke mir für morgen die Daumen. Bitte noch nichts schicken, ich werde vorher dann noch ein Telegramm schreiben. Bitte beunruhige Dich noch nicht, bis jetzt ist noch nichts passiert und ich hoffe, daß es auch nicht passieren wird. Falls es nicht klappen sollte, so werde ich es woanders noch einmal versuchen. Wie geht es Dir sonst? Was macht Dein Auge? Grüße bitte Deine Mutter von mir, so wie auch Horst und Heidi und die Kleine. War schon jemand da und hat nach mir gefragt? Mir geht es ansonsten ganz gut. Alles andere dann mündlich. Sei nun vielmals gegrüßt und geküßt von Deinem Wolfgang.“ Auf der Rückseite des Briefes vermerkte er: „Bitte nicht schreiben. Es wird nicht mehr hier ankommen, bin dann schon weg. Wolfgang. Bitte entschuldige das Papier, hatte kein anderes.“ Am 30. Juli 1974 wusste die australische Freundin noch nichts von Wolfgang Voglers Tod. Während eines Gaststättenbesuches horchte sie ein inoffizieller Mitarbeiter des MfS aus und stahl ihr das Notizbuch aus der Handtasche, in dem auch Voglers Adresse stand. Außerdem entdeckte der inoffizielle Mitarbeiter Fotos von Wolfgang Vogler in ihrer Handtasche.
Am 15. Juli 1974 beantragte der Staatsanwalt des Bezirkes Magdeburg einen Haftbefehl gegen Wolfgang Vogler. Das eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen „versuchten illegalen Grenzübertritts und Gefährdung der Staatsgrenze“ wurde am 23. Juli 1974 eingestellt. Die Urne Wolfgang Voglers wurde von Magdeburg nach Parchim überführt und beigesetzt. Aus den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes geht der enorme Aufwand zur Geheimhaltung des Vorfalls hervor. Überwacht und zum Schweigen verpflichtet wurden sowohl die an der Bergung beteiligten Grenzsoldaten als auch das medizinische Personal in den Krankenhäusern Wernigerode und der Akademie Magdeburg. Für Verwandte und Bekannte Voglers in Thale verhängte das MfS Postkontrollen und setzte inoffizielle Mitarbeiter auf sie an.
In den 1990er Jahren ermittelte die Staatsanwaltschaft Magdeburg gegen den Kommandeur des Grenzkommandos Nord und seinen Stellvertreter als Verantwortliche für die Minenverlegung in dem Grenzabschnitt, der Wolfgang Vogler zum Verhängnis wurde. Wegen Verhandlungsunfähigkeit der beiden ehemaligen Kommandoführer kam es jedoch zur vorzeitigen Einstellung der Ermittlungen.