Logo

Suche im Biographischem Handbuch

Biografisches Handbuch

Alfred Görtzen

geboren am 18. Juni 1941 in Danzig (heute: Gdańsk, Polen) | Suizid am 22. Februar 1972 | Ort des Vorfalls: nahe Salzwedel (Sachsen-Anhalt)
BildunterschriftAlfred Görtzen
BildquelleBStU
Quelle: BStU
Beim Versuch in den Westen zu flüchten, riss eine Mine dem Hauptmann der Grenztruppen Alfred Görtzen den linken Unterschenkel ab. Alfred Görtzen erschoss sich danach am Grenzzaun mit seiner Dienstwaffe.

Alfred Görtzen kam in Danzig (heute: Gdańsk, Polen) zur Welt. Sein Vater, ein Werftarbeiter, trat 1943 nach Görtzens Darstellung der NSDAP bei, um seinen Arbeitsplatz zu erhalten. Er wurde 1944 zur Wehrmacht eingezogen und geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Die Mutter floh 1945 mit dem vierjährigen Alfred und seinem 14-jährigen Bruder Klaus nach Harpe, Kreis Osterburg. Sein Vater kehrte 1950 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Er erhielt zehn Hektar Land und trat 1952 der LPG bei. Alfred Görtzen verließ 1956 nach der 8. Klasse die Schule und arbeitete wie seine Eltern in der LPG „Walter Ulbricht“ in Harpe. Seit 1955 gehörte Alfred Görtzen der FDJ an. Er meldete sich 1959 freiwillig zur Deutschen Grenzpolizei, trat 1960 der SED bei und absolvierte die Unteroffiziersschule in Dingelstädt sowie 1961 die Offiziersschule. Als FDJ-Sekretär gehörte er sowohl der FDJ wie auch der Parteileitung an. An der Offiziersschule „Rosa Luxemburg“ der Grenztruppen in Plauen durchlief er 1964 die Ausbildung zum operativen Zugführer. In der Abschlussbeurteilung der Offiziersschule „Rosa Luxemburg“ vom Januar 1965 heißt es: „OS [Offiziersschüler] Görtzen wurde bereits von seinen Eltern maßgeblich zur Treue und Einsatzbereitschaft gegenüber unserem Staat erzogen.“ Er sei redegewandt und zeichne sich politisch durch „ideologische Reife“ aus. Lediglich bei der „militärischen Körperertüchtigung“ gebe es noch Mängel. Görtzen besitze gute methodische Fähigkeiten. „Sein eigenes Vorbild und sein gerechtes und parteiliches Verhalten ließen ihn im Kollektiv eine geachtete Rolle spielen.“

Im Februar 1965 kam Alfred Görtzen als Zugführer zur 4. Grenzkompanie des Grenzregiments Salzwedel. Ein Spitzel des MfS unter den Soldaten mit Decknamen „Toni“ berichtete wenig später positiv über seinen neuen Vorgesetzten Görtzen. Er löse „seine Aufgaben vorbildlich“ und sei in der Truppe beliebt, weil er sich um die Nöte seiner Männer kümmere. „Im Ausgang ist er höflich. Er hat besonders gute Verbindungen zu der Jugend und kann diese schnell begeistern.“ In einer Beurteilung Görtzens durch einen für die Kontrolle der Einheit zuständigen Offizier der Stasi-Operativ-Gruppe Salzwedel heißt es, er sei stolz auf seinen Offiziersberuf und könne als zuverlässig eingeschätzt werden. Görtzen besuchte außerdem die Bezirksparteischule und erhielt für seine Leistungen bei den Grenztruppen mehrere Verdienstmedaillen, 1966 war er hauptamtlicher FDJ-Sekretär im Grenzbataillon Ziemendorf und danach im Range eines Hauptmanns Stellvertreter für politische Arbeit in der damaligen Nachrichtenkompanie der Grenzbrigade Kalbe/Milde. Nach der Umstrukturierung der Grenztruppen wurde er in gleicher Dienststellung in der Nachrichtenkompanie Peckfitz des Grenzregiments Gardelegen eingesetzt. Im Oktober 1970 heiratete er seine Verlobte, die als Verkäuferin arbeitete.

Nach einem Trinkgelage in einer Gaststätte kam es zwischen Alfred Görtzen und einem Unterfeldwebel seiner Einheit zu sexuellen Handlungen. Der Unterfeldwebel informierte den Kompaniechef, der Görtzen zu einer Gegenüberstellung vorlud. Görtzen bat hernach um dienstfrei, um sich mit seiner Ehefrau über das Geschehene aussprechen zu können. Er suchte jedoch seine Frau nicht auf, sondern begab sich zu seinen Eltern und danach in jenes Grenzgebiet, das er von seiner Zeit als Zugführer kannte. Er wusste jedoch nicht, dass dort neue Minen verlegt worden waren. Nahe der Grenzsäule 353 riss ihm eine Mine den linken Unterschenkel ab. Alfred Görtzen schleppte sich noch bis zum Grenzzaun, den er jedoch nicht überwinden konnte. Dort erschoss er sich mit seiner Dienstpistole Makarow.


Biografie von Alfred Görtzen, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/188-alfred-goertzen/, Letzter Zugriff: 21.11.2024