An Pfingsten 1969 warteten die Eltern von Rolf Herbert Held vergeblich auf ihren einzigen Sohn. Der 20-Jährige war gelernter Maschinenbauer und hatte bei den Simson-Werken gearbeitet. Im November 1968 war er zum Wehrdienst eingezogen worden. Er hatte sich als Soldat auf Zeit verpflichtet und nahm schon bald die Stellung eines Waffenunteroffiziers in der Grenzkompanie Hönbach ein. Seit April 1969 war er Kandidat der SED, später wollte er ein Ingenieurstudium aufnehmen. In seinen Briefen vermittelte er den Eltern stets den Eindruck, es gefalle ihm bei den Grenztruppen. Zu Pfingsten sollte er Urlaub erhalten. Umso größer war für die Eltern der Schock, als sie Besuch von zwei Offizieren bekamen, die ihnen eröffneten, ihr Sohn sei beim Versuch einer „Republikflucht“ zu Tode gekommen. Bisher hatte er nie Fluchtabsichten oder auch nur Unmut über sein Leben in der DDR geäußert, nicht einmal Verwandte lebten in der Bundesrepublik. Der Vater fragte nach, ermittelte auf eigene Faust, stieß auf immer größere Widersprüche – doch nach mehreren Aussprachen mit dem Militärstaatsanwalt wurde ihm erklärt, dass alle Untersuchungen abgeschlossen seien und er nun Ruhe geben möge.
Als die Zentrale Ermittlungsgruppe für Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV) 1991 ihre Ermittlungen zu den Todesfällen an der innerdeutschen Grenze aufnahm, weckten auch hier die aus der DDR überlieferten Unterlagen zum unnatürlichen Tod von Rolf Held Misstrauen. Dem Abschlussbericht des MfS zufolge waren der Unteroffizier und der Soldat Rainer M. am 27. Mai 1969 um 20.30 Uhr zum Dienst auf einem Postenturm in der Umgebung Sonnebergs eingeteilt. Gegen 2 Uhr soll Held seinen Kameraden niedergeschlagen, mit der Waffe bedroht und zur Desertion über die Grenze aufgefordert haben. Um sich nicht zu gefährden, sei Rainer M. auf den Vorschlag eingegangen und habe zusätzlich das Magazin seiner MPi aus dem Fenster des Postenturms geworfen. Dann sei er, von Held gefolgt, hinabgestiegen. Unten angekommen, habe er jedoch unbemerkt das Magazin wieder aufnehmen und in seine MPi einführen können. Sie seien noch etwa zehn Schritte nebeneinander hergegangen, dann habe M. seine Waffe durchgeladen und aus sieben Metern Entfernung drei Schüsse auf Rolf Held abgegeben. Er hörte den Getroffenen aufschreien und sah ihn stürzen. Dann rannte er durch ein Kornfeld zum Grenzkompaniegebäude. Als er schon 70 Meter vom Beobachtungsturm entfernt war, habe er plötzlich eine MPi mit Dauerfeuer schießen hören. Mit stark blutenden Platzwunden von der Schlägerei auf dem Postenturm erreichte M. schließlich die Grenzkompanie und wurde, nachdem er das Geschehene berichtet hatte, ins Krankenhaus gebracht.
Die Alarmgruppe der Grenztruppen fand die Leiche von Rolf Held vor dem Postenturm mit Schusswunden in der Brust und am Kopf. Sie wurde vom Institut für Gerichtliche Medizin der Friedrich-Schiller-Universität Jena obduziert. Dort stellte man fest, dass der Brustschuss, der durchs Herz drang, sofort tödlich wirkte, der Kopfschuss jedoch aus absoluter Nähe abgegeben worden sei und „H. bei praktisch nicht mehr funktionierendem Kreislauf“ getroffen habe. Zur Rekonstruktion der Tat führt der Bericht an, „dass H. sich den Kopfschuss selbst beibrachte. Die Betätigung des Waffenabzuges muss als unbewusste Reaktion gedeutet werden.“
1994 ließ die ZERV den Sektionsbericht durch das Institut für Rechtsmedizin an der Freien Universität Berlin begutachten. Die Widersprüchlichkeit und Unwahrscheinlichkeit der Jenaer Mutmaßung wurde hier belegt. „Eine auch nur unbewußte Reaktion (Schußabgabe durch eigene Hand/Kopfdurchschuß), 2 bis 3 Minuten nach dem hier in Rede stehenden Rumpfdurchschuß mit Zerreißung des Herzens, ist nicht denkbar. Auch wird man eher daran zu denken haben, daß es nach dem Rumpfdurchschuß zu einer Erschlaffung und nicht zu einer Verkrampfung der Muskulatur gekommen sein dürfte […]“. Aber auch eine rein mechanische Auslösung der Schüsse durch den Sturz sei nicht möglich gewesen, stellten die Ballistiker im Landeskriminalamt fest. Kriminalistisch war demnach der Verlauf der Tat, wie er hauptsächlich nach den damaligen Angaben des Schützen M. in den Berichten des MfS und der Grenztruppen festgehalten wurde, nicht nachvollziehbar. Wie hatte der tödlich Getroffene die MPi noch selbst durchladen, ein Dauerfeuer von 15 bis 27 Schuss abgeben und seine Waffe anschließend einen Meter weit wegwerfen können, wo sie dann gefunden wurde?
Es ist bis heute nicht geklärt, weshalb Rolf Held starb und wie es zu dem Kopfschuss kam. Die Ermittler der ZERV vermuteten, dass es möglicherweise gar kein Fluchtmotiv gegeben hatte und für die Auseinandersetzung zwischen Held und M. andere Gründe vorlagen. Die Vernehmung von Rainer M., gegen den in der DDR kein Ermittlungsverfahren geführt wurde, weil die von ihm behauptete Notwehrsituation nicht in Frage gestellt wurde, brachte jedoch 25 Jahre nach der Tat keine neuen Erkenntnisse. Der Schütze bekräftigte seine damaligen Aussagen. Als sie den Postenturm verließen, habe er gedacht, Rolf Held wolle ihn zwingen, vor ihm her über das Minenfeld in Richtung Bundesrepublik zu gehen. Weil er dabei kaum eine Überlebenschance gehabt hätte, habe er sich entschlossen zu schießen. Als M. bei seinem Rückweg durch das Kornfeld hinter sich Dauerfeuer hörte, habe er angenommen, dass Held seine Waffe abfeuerte. Er habe das zwar nicht selbst gesehen, aber sonst sei ja niemand in der Nähe gewesen.