Erich Tesch wurde 1902 in dem mecklenburgischen Bauerndorf Roga (Gemeinde Datzetal) geboren. Er hatte Maurer gelernt, geheiratet und wurde Vater von vier Kindern. Doch als er den Vormittag des 9. Oktober 1967 gemeinsam mit Jakob P. und Heinrich S. in einem Obdachlosenheim in Köln-Ehrenfeld zubrachte, war dies schon lange Vergangenheit. Seine Ehefrau lebte seit zwölf Jahren von ihm getrennt, und zu seinen Kindern hatte er kaum noch Kontakt. Drei von ihnen waren in die DDR gezogen und wohnten in Ost-Berlin. Mit dem Gesetz geriet Tesch mehrfach in Konflikt, meist wegen Ladendiebstahls und Trunkenheitsdelikten. Die Polizei griff ihn wiederholt als Stadtstreicher und Randalierer auf.
An diesem Vormittag des 9. Oktober machte Heinrich S. den Vorschlag, gemeinsam in die DDR zu gehen, er habe dort Bekannte. Der 35-jährige Jakob P. wollte ihn begleiten. Je weiter weg desto besser, dachte er, weil er sich mit seiner Frau überworfen hatte. Erich Tesch sah die Chance, seine Kinder wiederzusehen und sagte ebenfalls zu. Doch als die drei ihr Geld zählten, mussten sie feststellen, dass es für die Fahrkarten nach Berlin nicht reichte. Sie entschieden sich, nur bis Helmstedt Karten zu lösen und von dort aus zu Fuß in die DDR zu gehen. Der Rest würde sich schon finden. Mit dem übrig gebliebenen Geld deckten sie sich für die Nachtfahrt mit Spirituosen ein.
Als sie am nächsten Morgen um 4 Uhr in Helmstedt aus dem Zug stiegen, schlug ihnen ein stürmischer Wind entgegen. Sie gingen zunächst in eine Raststätte und frühstückten. Als sie das Lokal verließen, trafen sie auf eine Streife des Bundesgrenzschutzes, die sie zur Feststellung der Personalien in ihre Dienststelle mitnahm. Dort stellte sich heraus, dass Heinrich S. auf der polizeilichen Fahndungsliste stand. Er wurde deswegen festgenommen. Gegen Erich Tesch und Jakob P. lag nichts vor. Da sie aber angaben, daß sie in die DDR wollten, behielt man ihre Ausweise ein, stellte ihnen Ersatzbescheinigungen aus und setzte sie auf freien Fuß. Als sie schließlich an der Grenzübergangsstelle Marienborn ankamen, bemerkten die Mitarbeiter der dortigen DDR-Passkontrolleinheit rasch, dass die beiden Männer schon am frühen Morgen unter Alkoholeinfluss standen. Zudem hatte Jakob P. seine Meinung geändert und schüttelte, während Erich Tesch um Aufnahme in den sozialistischen Staat bat, auf die Frage, ob denn auch er in die DDR wolle, kräftig den Kopf. Nach Rückfrage bei ihren Vorgesetzten schickten die DDR-Grenzer die beiden Männer wieder nach Niedersachsen zurück. Zu Erich Tesch sagte einer der Passkontrolleure, er könne es ja nach 18 Uhr ein zweites Mal versuchen, wenn er dann wieder nüchtern sei. In Helmstedt angelangt, kehrten sie wieder in der Raststätte ein und bestellten Bier. Wenn sie ihn nicht durch den Grenzübergang lassen wollten, dann würde er eben über den Zaun klettern, überlegte Erich Tesch laut. Er sah auf die Uhr. Es war nun etwa 8 Uhr. Bis 18 Uhr wollte er auf keinen Fall warten. Jakob P. versprach, bis zu den Grenzanlagen mitzukommen. Sie leerten die Gläser und brachen auf. Östlich von Helmstedt liefen sie durch dichten Kiefernwald, von irgendwoher rauschte der Autobahnverkehr. Sie stießen auf die Bundesstraße 1, die hier als Sackgasse endete. Als sie den breiten Sandweg weitergingen, entdeckten sie einen ausgebrannten Bus, der quer auf der Fahrbahn stand, davor ein Schild mit der Aufschrift Zonengrenze. Erich Tesch ging mit seiner karierten Reisetasche vorneweg. Lass uns umkehren, mag Jakob P. gedacht haben. An einem Streckmetallzaun angekommen, musste er die Tasche halten, während Tesch über die Sperre kletterte. Erich Tesch ergriff die Tasche, die ihm der Freund über den Zaun reichte. Er drehte sich um, sah eine gerodete Fläche, einen zweiten Grenzzaun und machte einen Schritt vorwärts.
Der Wirt der Raststätte wunderte sich. Früh um 4 Uhr waren die Männer aus Köln noch zu dritt gekommen, gegen 8 Uhr, als sie zurückkehrten, fehlte schon einer, nun war es nach 10 Uhr, und der dritte Mann, der ganz allein wiedergekommen war, sah nicht gut aus. Mit verstörtem Blick ließ er sich einen Schnaps nach dem anderen eingießen. Dann begann er zu sprechen. So richtig schlau wurde der Wirt nicht aus dem Gerede des stark Angetrunkenen. Aber als er die Worte Mine und Knall hörte und dass einer in ’ner Erdmulde lag, ganz klein und wimmernd, da wusste der Helmstedter, was passiert war. Er müsse sofort zur Polizei gehen, sagte er zu Jakob P. Doch als dieser auf der Wache vor den Polizisten stand, fehlten ihm die Worte. Die Beamten konnten sich auf sein Gerede keinen Reim machen und brachten ihn kurzerhand in eine Ausnüchterungszelle.
Ein Posten der 4. DDR-Grenzkompanie Marienborn hörte am Vormittag um 10.15 Uhr einen Knall. Er sah noch, wie eine karierte Reisetasche durch die Luft flog. Sofort verständigte er seinen Kompaniechef, der wiederum seiner vorgesetzten Dienststelle die Minenexplosion und den vermutlichen Personenschaden meldete. Doch die Rettung eines Verletzten aus dem Minenfeld war auch für Angehörige der Grenztruppen lebensgefährlich. Eine Nachbarkompanie entsandte einen Bergungstrupp. Die Soldaten mussten von der Westseite aus ein Streckmetallfeld aus dem Grenzzaun brechen und eine Bergungsstange zu dem Verletzten bugsieren. Dieser musste die Stange ergreifen und mit seiner Kleidung verhaken. Gegen 11.25 Uhr, eine Stunde nach der Explosion der Bodenmine, zogen sie Erich Tesch vorsichtig aus dem Minenfeld. Man brachte den Schwerverletzten, der unter starkem Schock stand, ins Kreiskrankenhaus nach Haldensleben. Dort stellten die Ärzte fest, dass ihm die Mine das linke Bein bis unterhalb des Knies und einen Daumen abgerissen hatte. Auch das rechte Bein wies schwere Verletzungen an Knie und Knöchel auf, und der ganze Körper war von Splittertreffern übersät. Erich Tesch starb noch am Abend dieses Tages um 20.30 Uhr. Nach den Aussagen, die Jakob P. später machte, ging die Polizei in Helmstedt davon aus, dass Erich Tesch nur eine schwere Beinverletzung erlitten habe. In der Bundesrepublik blieb sein Tod bis zur Wiedervereinigung unbekannt.
Die Staatsanwaltschaft Magdeburg klagte Ende der 1990er Jahre wegen des Todes von Erich Tesch und weiterer Minenopfer die vormaligen DDR-Kommandeure Generalmajor Harald Bär und Major Horst Marutzki an. Bär trug als Chef der 7. Grenzbrigade und Marutzki als Kompaniechef ihrer Pionierbrigade die Verantwortung für die Minenfelder im Grenzgebiet bei Marienborn. Bärs Verfahren wegen mehrfacher Anstiftung zum Totschlag wurde eingestellt, weil der Angeklagte als verhandlungsunfähig erklärt wurde. Das Landgericht Magdeburg verurteilte Horst Marutzki wegen Totschlags zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe.