Bärbel Elli Richter und ihr Ehemann Karl-Theodor hatten schon seit längerer Zeit überlegt, ob sie die Flucht in die Bundesrepublik wagen sollten. Die 27-Jährige war Sonderschullehrerin an der Pestalozzi-Schule in Aschersleben (Sachsen-Anhalt). Das Ehepaar Richter gehörte keiner Partei an. In DDR-Überlieferungen wird Karl-Theodor Richter als gläubiger Katholik bezeichnet. Er arbeitete als Diplomingenieur im Konstruktionsbüro des VEB Werkzeugmaschinenfabrik Aschersleben (WEMA). Bereits 1965 sprach er gegenüber seiner Freundin Bärbel von Flucht absichten, doch sie konnte ihn überzeugen, in der DDR zu bleiben. Im Februar 1967 heirateten sie. Bald erwartete Bärbel Richter ein Kind. Indessen schob das Wohnungsamt die Zuweisung einer gemeinsamen Wohnung für das Ehepaar immer wieder hinaus. Das gab letztlich den Ausschlag für die Entscheidung, nun doch das Land zu verlassen.
Karl-Theodor Richter war ausgebildeter Sporttaucher, er ging diesem Hobby gemeinsam mit seiner Frau in der Freizeit regelmäßig nach. Sie fühlten sich daher sicher genug, von Wittenberge aus die Elbe abwärts schwimmend, das niedersächsische Elbufer erreichen zu können. In Wittenberge war die Elbe noch nicht durch Grenzzäune abgesperrt und frei zugänglich, doch bis nach Schnackenburg in Niedersachsen galt es, gut 20 Kilometer zurückzulegen – in der Elbströmung ein überaus gefährliches Unterfangen. Am Samstag, dem 17. Juni 1967, stiegen Bärbel und Karl-Theodor Richter in Aschersleben in ihren lindgrünen Trabant und fuhren nach Wittenberge. Den Nachbarn gegenüber sprachen sie von einer Urlaubsfahrt. Der Samstagmorgen begann nach einigen vorausgegangenen Regentagen freundlich, in der Bundesrepublik feierte man den Tag der deutschen Einheit.
In der Nacht vom 17. auf den 18. Juni 1967 zog das Paar in der Nähe von Wittenberge seine Taucheranzüge an und stieg in die Elbe. Sie schwammen unentdeckt bis ins unmittelbare Grenzgebiet, doch hier überfiel sie Unsicherheit. Vor dem niedersächsischen Ufer sahen sie Positionslampen im Wasser schwanken. Barbara und Karl-Theodor Richter schwammen zurück in die Strömung und entschlossen sich, an dem vermeintlichen Sicherungsboot vorbeizutauchen. Tatsächlich hatten sie bereits die Demarkationslinie passiert und das Bundesgebiet erreicht. Bei den Positionslampen handelte es sich um Markierungen von Anlagen für den Fischfang. Als sie versuchten, daran vorbei zu tauchen, verfingen sich beide unter Wasser in einem Fischernetz. Allein Karl-Theodor Richter konnte sich befreien und ging bei Schnackenburg an Land. Barbara Richter, im fünften Monat schwanger, ertrank. Fischer bargen sie noch am gleichen Tag tot aus der Elbe.
Die Eltern von Barbara Richter erfuhren durch ein Telegramm ihres Mannes von dem traurigen Schicksal ihrer Tochter. Sie wussten nichts von ihren Fluchtplänen. Die Bemühungen der Angehörigen, Bärbel Richter in ihrer Heimat bestatten zu dürfen, wurden von den DDR-Behörden zurückgewiesen. Sie fand in Lüchow ihre letzte Ruhe. Mehrere westdeutsche Tageszeitungen berichteten ausführlich über den tragischen Zwischenfall an der innerdeutschen Grenze.