Reinhard Brudöhl wurde am 11. November 1943 in der thüringischen Stadt Mühlhausen geboren und wuchs dort auf. Nach einem achtjährigen Schulbesuch erlernte er den Beruf des Optikers. Er arbeitete bei seinem Vater in dessen Optikergeschäft, einem alteingesessenen Mühlhausener Familienbetrieb. Eine Tante und ein Onkel des jungen Optikers wohnten in West-Berlin. Der 21-Jährige war ledig, als er am 4. Mai 1965 seinen Dienst bei den Grenztruppen der Nationalen Volksarmee antrat. Schon nach einer kurzen Dienstzeit erhielt er eine Belobigung für seine militärischen Leistungen. Mitte August verbrachte er einen dreitägigen Urlaub in seinem Elternhaus. Zurück bei der Einheit erhielt Reinhard Brudöhl am 22. August 1965 den Einsatzbefehl zum Grenzdienst. Gemeinsam mit dem Postenführer Unteroffizier Wieland K. patrouillierte er an diesem Abend durch ein Waldstück unweit der Grenze. Es muss schon stockfinster gewesen sein, als Reinhard Brudöhl gegen 21.45 Uhr plötzlich Geräusche im Wald vernahm. Erschrocken brachte er seine Waffe in Anschlag, ohne jedoch einen Befehl dafür erhalten zu haben. Unteroffizier Wieland K. lud ebenfalls sofort seine Waffe durch. Die beiden Grenzposten gingen den Geräuschen nach und befanden sich mittlerweile außerhalb des Waldes. Beide hielten noch immer ihre Waffen schussbereit im Hüftanschlag. Laut Tagesmeldung der Grenztruppen habe Reinhard Brudöhl plötzlich völlig unvermittelt die durchgeladene Maschinenpistole auf seinen Postenführer gerichtet und ihn zur gemeinsamen Fahnenflucht aufgefordert. Er sagte, so oder so werde er mit oder ohne ihn flüchten. Wieland K. warf sich blitzartig zu Boden und schlug im Fallen Brudöhls Maschinenpistole zur Seite. Dadurch löste sich ein Feuerstoß aus Brudöhls Waffe. Wieland K. gab dann seinerseits im Liegen und aus nächster Nähe drei Schüsse auf seinen Posten ab. Sie trafen Reinhard Brudöhl in den Oberkörper. Er brach sofort zusammen. Unteroffizier Wieland K. rannte in panischer Angst davon und verständigte über das Grenzmeldenetz die Grenzkompanie. Er meldete dort zunächst nur einen Fahnenfluchtversuch. Als der Politoffizier der Kompanie am Ort des Geschehens eintraf, fand er den Postenführer unter Schock stehend vor. Unteroffizier K. konnte keine zusammenhängende Meldung erstatten. Er stammelte nur, sein Posten sei weg, er habe ihn erschossen. Ein herbeigeeilter Suchtrupp fand kurz darauf die Leiche von Reinhard Brudöhl. Für die erfolgreiche Verhinderung der Fahnenflucht erhielt Wieland K. die Verdienstmedaille der NVA in Bronze.
Das in den 1990er Jahren geführte Verfahren gegen Wieland K. wurde eingestellt, weil Brudöhl den Beschuldigten mit der Waffe bedroht hatte. Somit habe dieser in Notwehr gehandelt. Wieland K. gab an, nur geschossen zu haben, um nicht selbst erschossen zu werden. Die früheren Untersuchungen der DDR-Militärstaatsanwaltschaft stützten seine Aussage. Es war nach deren Gutachten aus beiden Waffen geschossen worden. Wieland K. flüchtete 1970 selbst aus der DDR in die Bundesrepublik.