Bereits als Kind träumte Rolf Fülleborn davon, einmal auf „große Fahrt“ zu gehen. Nach dem Abschluss der Grundschule 1958 begann er eine Lehre als Binnenschiffer, die er im Juli 1961 als „Bootsmann“ abschloss. Schon vorher bewarb er sich mehrfach bei der Deutschen Seereederei in Rostock als Hochseeschiffer. Im Juli 1961 wurde er „wegen Vielzahl der Bewerber“ abgelehnt, er könne aber 1962 nochmals nachfragen.
Rolf Fülleborn versuchte dann, bei der Deutschen Binnenreederei für den Dienst auf einem Schiff im innerdeutschen Verkehr eine Arbeitsstelle zu finden. Nachdem dies ebenfalls abgelehnt wurde, unternahm er am 15. Oktober 1961, wenige Wochen nach dem Bau der Berliner Mauer, seinen ersten Versuch, in die Bundesrepublik zu flüchten. Er schwamm von Wittenberge aus elbabwärts, stieg wegen der Kälte aber nach einiger Zeit aus dem Wasser und ging den Elbdeich entlang in Richtung Grenze. Dort lief er nach eigenen Angaben „im dichten Nebel zwei betrunkenen Grenzsoldaten in die Arme“.
Das Kreisgericht Seehausen verurteilte Fülleborn zwei Tage später, am 17. Oktober 1961, zu einem Jahr Haft. Mit seiner „versuchten Republikflucht“ habe er laut Urteil in Kauf genommen, zur Bundeswehr eingezogen zu werden: „Er wollte sich unter das Kommando jener Männer stellen, die am 13.2.1945 seiner Heimatstadt Dresden einen Untergang bereitet haben, wie er nur noch durch die Zerstörung der japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki übertroffen wurde und wie er in einem dritten Weltkrieg allen Städten im sozialistischen Lager zuteil werden soll. An diesen unvorstellbaren Schreckenstaten wollte der Angeklagte durch seinen Republikverrat mitwirken.“ Rolf Fülleborn verbüßte seine Strafe zum Teil im Haftarbeitslager „Schwarze Pumpe“.
Seine Eltern richteten am 2. Mai 1962 ein „Gesuch um Haftverkürzung“ an den Staatsanwalt des Kreises Seehausen, das dieser als „Gnadengesuch“ zu den Akten nahm. Am 30. Mai 1962 befürwortete die Staatsanwaltschaft wegen guter Führung die Aussetzung der Reststrafe Fülleborns zur Bewährung. Am 20. Juni 1962 erfolgten seine Haftentlassung sowie die Verhängung einer Einreisesperre für alle DDR-Grenzkreise und ein Berufsverbot für eine weitere Beschäftigung als Binnenschiffer. Knapp zwei Jahre nach seinem ersten gescheiterten Fluchtversuch brach Rolf Fülleborn erneut auf.
Am Morgen des ersten Osterfeiertags, am 14. April 1963, verabschiedete sich der 19-Jährige von seinen Eltern, um, wie er sagte, einen Freund in Karl-Marx-Stadt zu besuchen. Sie ahnten nicht, dass dies ein Abschied für immer sein sollte. Ein westdeutsches Zollboot beobachtete am 15. April 1963 ab 7.50 Uhr bei Elbkilometer 489 zwischen Mödlich und Vietze im Raum Lenzen die Bergung einer männlichen Wasserleiche durch DDR-Grenzsoldaten. Der Tote war laut dem Bericht der Zollbeamten zwischen 20 und 30 Jahre alt und lag „schätzungsweise einige Tage im Wasser. Der Ertrunkene hatte Schwimmflossen an und ein weißes Gerät um die Gürtellinie, an dem auch ein Schnorchel befestigt war. Auf dem Rücken war ein weißer Plastikbeutel befestigt“, dem Papiere entnommen wurden. Die Bergung und Untersuchung des Toten dauerten bis etwa 12 Uhr, danach wurde die Leiche im Beiwagen eines Motorrads abtransportiert.
Bei dem geborgenen Toten handelte es sich um Rolf Fülleborn. Man fand bei ihm neben Schwimmausrüstung, Fernglas und Kompass auch eine Fahrkarte von Dresden nach Wittenberge. Wann und wo genau er ins Wasser stieg, konnte jedoch nicht mehr ermittelt werden. Seine Eltern wurden nach eigenen Angaben am Nachmittag des 15. April 1963 über den Todesfall informiert. Fülleborns Tante sagte im Dezember 1963 bei der Kripo in Konstanz aus, ihr Bruder habe die Leiche seines Sohnes am 16. April in Lenzen alleine in Augenschein nehmen können, dieser sei nicht erschossen worden. Der Vater habe auch gesehen, dass bei der Leiche ein Schnorchel, Schwimmflossen und ein Fernglas lagen. Die Leiche wurde dann ohne Wissen der Eltern aus der im Sperrgebiet liegenden Kleinstadt Lenzen nach Wittenberge gebracht und dort am 18. April 1963 noch vor deren Eintreffen beigesetzt. Die Familie erwirkte hernach die Umbettung des Toten auf einen Friedhof seiner Heimatstadt Dresden. Die erneute Grablegung erfolgte dort am 13. August 1963.
Die Mutter Fülleborns wandte sich am 17. Januar 1991 brieflich an die Erfassungsstelle Salzgitter, um Ermittlungen zum Tod ihres Sohnes anzuregen. In diesem Schreiben äußerte sie die Vermutung, dass die harschen Formulierungen des oben zitierten Urteils von 1961 mit dazu beigetragen hätten, dass ihr Sohn erneut versucht habe, in die Bundesrepublik zu flüchten. Schwierigkeiten in seinem neuen Beruf seien ein weiteres mögliches Motiv. Rolf Fülleborns Bruder Frank erinnerte sich bei seiner Zeugenvernehmung durch die Berliner Kriminalpolizei am 22. September 1992 an die Schilderung seines 1977 verstorbenen Vaters über die Identifizierung des Toten am 16. April 1963 in Lenzen. Der Vater habe seinerzeit an der Leiche keine Schussverletzungen festgestellt. Nach ärztlichen Angaben erlag Rolf Fülleborn am Abend des 14. April 1963 beim Durchschwimmen der Elbe einem Herzschlag. Die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität fand bei der Untersuchung des Falls in den 1990er Jahren keine Hinweise auf eine Straftat und stellte das Verfahren deshalb ein.