Eckhard Klemm ist am 16. Februar 1961 im Landambulatorium des Kreises Bad Doberan in Rerik zur Welt gekommen. Es ist kaum etwas über seine Kindheit und Jugend bekannt. Zum Zeitpunkt seiner Flucht war er 17 Jahre jung und im VEB Mathias-Thesen-Werft in Wismar beschäftigt – wahrscheinlich noch als Lehrling. Er wohnte zu dieser Zeit im staatlichen Arbeiterwohnheim in Rerik, zusammen mit seiner Mutter.
Obwohl er ebenfalls außerhalb Reriks beschäftigt war, lebte auch sein Freund Rainer Roese in Rerik, von wo aus die beiden auch ihren Fluchtversuch starteten.
Es ist nicht bekannt, welche konkreten Gründe die beiden dazu brachten, die DDR ohne Genehmigung über die Ostsee zu verlassen, aber am 10. Juli 1978 begannen sie mit den unmittelbaren Fluchtvorbereitungen. Sie hatten sich ein Faltboot für zwei Personen besorgt und bauten dieses am besagten Tag gegen 1:45 Uhr in der Nacht im Hof des Arbeiterwohnheims zusammen. Das bot sich an, denn das Wohnheim lag nahe am Ostseestrand. Wahrscheinlich hatten sie gehofft, mitten in der Nacht unentdeckt zu bleiben. Doch ein Rentner, der im selben Wohnheim wohnte, bemerkte die beiden bei ihrer um diese Zeit durchaus verdächtigen Handlung und meldete seine Beobachtung der Volkspolizei.
Diese war anscheinend untätig geblieben und hatte die Meldung des Rentners erst in ihrem Tagesrapport zwei Tage später, am 12. Juli 1978, verzeichnet und darin notiert, dass ihr am 11. Juli gegen 16:50 Uhr bekannt wurde, dass die beiden „vermutlich die DDR über den Seeweg verlassen haben.“ Im darauffolgenden Rapport für den 13. Juli verzeichnete die Volkspolizei dann den Fund des Faltbootes an der Südspitze der Halbinsel Wustrow. Auf dieser Halbinsel lag eine sowjetische Garnison und eventuell liegt hierin ein Grund für die schleppende Informationsübermittlung zwischen den verschiedenen Institutionen der DDR.
Die 6. Grenzbrigade Küste (GBK) hatte die Vermisstenanzeige aus Rerik schon einen Tag früher als die Volkspolizei, am 11. Juli 1978, notiert und richtig auf den 10. Juli datiert. Die 6. GBK war dann auch mit eigenen Kräften und „Organen des Zusammenwirkens“ im Raum Rerik-Meschendorf aktiv, konnte aber keine Anhaltspunkte für einen versuchten Grenzübertritt feststellen.
Am 12. Juli wurden der 6. GBK dann aus der sowjetischen Garnison entscheidende Informationen übermittelt, die der Volkspolizei erst einen Tag später zur Verfügung standen: Im Verantwortungsbereich der Garnison hatten Soldaten an der Südspitze der Halbinsel Wustrow schon am 10. Juli am Strand ein Faltboot und zwei Paddel aufgefunden, die von See aus angetrieben worden waren. Einen Tag später fanden sie dann in unmittelbarer Nähe zum Fundort des Faltbootes zwei Brieftaschen mit den Personal- und Sozialversicherungsausweisen von Rainer Roese und Eckhard Klemm. Außerdem fanden sie noch eine Knautschlackjacke und weitere Bekleidungsgegenstände.
Bei der 6. GBK zog man daraus den Schluss, dass die beiden wahrscheinlich versucht hatten, mittels des Paddelbootes die DDR über die Ostsee zu verlassen, und dabei ums Leben gekommen waren. In ihrem Rapport vom 12. Juli schrieb die 6. GBK: „Es ist zu vermuten, dass beide einen Grenzdurchbruch beabsichtigten und auf Grund der Wetterlage W-NW 4-5 kenterten und ertranken.“ Diese Wetterlage war für einen Fluchtversuch mit einem Faltboot denkbar ungünstig.
Der Ablandeort, die Wetterlage und die aufgefundenen Spuren inklusive ihrer Reihenfolge bestätigten diese Annahme dann vollends: Am 22. Juli wurde die Leiche von Eckhard Klemm bei Börgerende am Strand gefunden, am 4. August die von Rainer Roese am Ostseestrand in Höhe des Zeltplatzes Meschendorf. So, wie sich die Spuren darstellen, hatten die beiden es zunächst geschafft, sich trotz des schlechten Wetters mit ihrem Faltboot gegen den Wind in Richtung Westen zu bewegen. Dies hatten sie aber nicht lange durchgehalten, denn noch am selben Tag wurde ihr Faltboot angetrieben. Offenbar verunglückte ihr Boot und beide fielen ins Wasser, nachdem sie sich erheblichen Anstrengungen unterzogen haben müssen, um ihren Weg einschlagen zu können.
Bei der Sektion im Institut für Gerichtliche Medizin der Universität Rostock wurden keine äußeren Gewalteinwirkungen oder Erkrankungen an den Leichen der beiden festgestellt. Unter Einbeziehung der starken Fäulnis und der weiteren Untersuchungsergebnisse, kamen die obduzierenden Personen zu dem Schluss, dass bei Eckhard Klemm, wie auch bei Rainer Roese, höchstwahrscheinlich ein so genannter „atypischer Ertrinkungstod“ vorlag. Im Sektionsprotokoll notierten sie, dass „ein schnelles Ertrinken nach einem vorbestehenden Erschöpfungszustand vermutet werden“ kann und stellten einen Kausalzusammenhang zwischen dem Fluchtversuch der beiden und dem Tod Eckard Klemms her.