Joachim Reinhold Schulze wurde am letzten Augusttag des Jahres 1941 in der brandenburgischen Kleinstadt Belzig geboren. Seine Eltern hatten ein Jahr zuvor geheiratet und lebten in Belzig in einem Einfamilienhaus. Der Vater war Kraftfahrer.
Aus dem Leben von Joachim Schulze ist nicht vieles bekannt. Er war gelernter Schmied und Tiefbohrfacharbeiter. Von Juli 1959 bis November 1962 absolvierte er seine Wehrpflicht bei der Volksmarine. Mit 21 Jahren heiratete er in Greifswald. Aus dieser Ehe ging ein Sohn hervor. Seine letzte Meldeadresse war die Bleichstraße in Greifswald.
Zum Zeitpunkt seines Todes war er – im Range eines Stabsmatrosen – auf einem Minensuchboot der 4. Flottille der Volksmarine tätig. Schulze war Anfang April 1966 für einen sechswöchigen Reservistenlehrgang eingezogen worden. Das Schiff befand sich am 23. April auf Vorposten im Fehmarnbelt. Um 1:00 Uhr nachts wurde Joachim Schulze letztmalig in seiner Koje lebend gesehen. Um 4:00 Uhr hätte er seinen Wachdienst antreten sollen. Vermutlich ist er innerhalb dieser drei Stunden vom Achterdeck ins Wasser gesprungen, um in den Westen zu schwimmen. An Bord vermisst wurden ein Dienstglas der NVA, eine Rettungsleuchte und eine Schwimmweste.
Dies berichtete der Militärstaatsanwalt aus Warnemünde den Obduzenten des Instituts für Gerichtliche Medizin der Universität Rostock am 9. Mai 1966 während der Obduktion einer unbekannten männlichen Leiche, die am 29. April 1966 in Svendborg auf der Insel Fyn aufgefunden wurde. In anderen Quellen ist zu lesen, dass die Leiche von einem dänischen Fischerboot im Großen Belt, circa zwei Seemeilen südöstlich vom Leuchtturm Hov an der Nordspitze von Langeland, geborgen und mit der Ambulanz ins Zentralkrankenhaus nach Svendborg auf Fyn gebracht worden war.
Im Sektionsbericht wurde festgehalten, dass die körperlichen Merkmale, wie Körpergröße, Haarfarbe, Narben und Zahnstatus mit den Angaben im Gesundheitsbuch von Joachim Schulze übereinstimmten. Zudem war die Leiche mit Textilien bekleidet, die auf Schiffen der Volksmarine üblich waren, und hatte außerdem die vermissten Gegenstände, also die Schwimmweste, die Rettungsleuchte und das Fernglas bei sich. Die Leiche konnte somit zweifelsfrei als Joachim Schulze identifiziert werden.
Bei der Ermittlung der Todesursache wurde Fremdeinwirkung ausgeschlossen. Die Gutachter gingen davon aus, dass Schulze lebend ins Meer gelangt sei und hier in aufrechter Haltung ertrank. Tragischerweise konnte die Schwimmweste ihn nicht vor dem Ertrinkungstod retten: Die Weste sorgte zwar dafür, dass der Kopf aus dem Wasser herausragte, der starke Wellengang führte jedoch dazu, dass Schulze Wasser verschluckte und einatmete. Die Wassertemperatur von lediglich drei Grad Celsius verursachte zudem eine Unterkühlung, die ebenfalls als ursächlich für den Tod angenommen wurde.
Im Nachgang der Sektion wurde eine Rekonstruktion im Hallenschwimmbad Neptun in Rostock durchgeführt, um zu prüfen, wie der Tod durch Ertrinken bei einem Schwimmenden, der eine Schwimmweste, wie sie bei der Volksmarine üblich war, trägt, eintreten konnte. Infolgedessen empfahlen die Mediziner und Medizinerinnen, zu prüfen, ob künftig nicht andere Schwimmwesten zur Ausrüstung von Angehörigen der Volksmarine verwendet werden könnten. Bei den bislang in Gebrauch befindlichen Westen Bestand die Gefahr, dass Wasser, das durch Wellengang ins Gesicht des Schwimmenden gespritzt wird, bei körperlicher Entkräftung verschluckt und eingeatmet wird und zum Ertrinkungstod führt – wie beim 24-jährigen Joachim Schulze geschehen.
1993 wurden im Rahmen des Informationsaustausches zwischen Beamten von Interpol Kopenhagen und der Berliner Polizeibehörde ZERV Ermittlungsergebnisse ausgetauscht, nachdem der Sohn von Joachim Schulze im August 1992 angezeigt hatte, dass sein Vater im April 1966 während seiner Reserveübung bei der Volksmarine einen Fluchtversuch über die Ostsee unternommen hatte und dabei verstorben sei. Er zweifelte die Angaben der Militärstaatsanwaltschaft Warnemünde jedoch an. Die Staatsanwaltschaft beim Kammergericht Berlin ermittelte im Anschluss wegen versuchten Totschlags.
In Deutschland wurden keine weiteren Unterlagen aufgefunden. Die dänischen Behörden konnten noch ergänzen, dass einige Tage nach dem Leichenfund in Svendborg, unweit der Leiche, Personalpapiere gefunden worden waren, die auf den Namen Joachim Schulze ausgestellt waren. Die DDR-Behörden antworteten jedoch nicht auf die Anfrage aus Dänemark. Unter welchen Umständen die Leiche in die DDR überführt wurde, ist unklar. Im Kurzbericht zum Leichenfund, der am 30. April 1966 in Svendborg verfasst worden war, wurde als Todesursache ebenfalls Ertrinken vermutet.
Die ZERV kam nach Auswertung der Unterlagen aus Dänemark und des Sektionsprotokolls zu dem Schluss, kein strafrechtliches Verfahren einzuleiten, da sich keinerlei Hinweise auf Fremdverschulden ergeben hätten.