Ulrich Werner Henke wurde am 11.März 1943 in Berlin-Charlottenburg geboren. Seine Eltern heirateten nach dem Kriegsende im September des Jahres 1945.
Ulrich lebte als junger Mann in den 1960er Jahren zunächst in seiner Geburtsstadt Berlin, er hatte eine Freundin. Nach einer Ausbildung zum Elektro-Apparatebauer war er als Flugsicherheitsassistent am Zentralflughafen Schönefeld tätig. Zuletzt lebte er an seinem Zweitwohnsitz in Barth und wurde hier am Flughafen in der Flugsicherung eingesetzt. Sein Wunsch war der berufliche Aufstieg zum Fliegenden Personal, wo ihn die Aussicht auf Flugreisen ins Ausland lockte.
Ulrich Henkes Eltern erfuhren in der Nacht vom 27. auf den 28. September 1967, dass ihr Sohn zur Fahndung ausgeschrieben sei, als die Volkspolizei sich bei Ihnen nach dem Verbleib ihres Sohnes erkundigte. Sie berichteten, dass sie ihren Sohn zuletzt am 8. September 1967 gesehen hätten. An diesem Tag habe Ulrich seine Eltern in Berlin besucht und sie hätten gemeinsam sein Zimmer hergerichtet. Er habe den Eindruck gemacht, dass er sich freuen würde, wieder zu Hause zu sein.
Am 20. September habe die Eltern ein Paket mit persönlichen Gegenständen und einem Geburtstagsgruß von Ulrich erreicht. Darunter war ein Jackett, in dem sich zwei Kaufverträge über ein Motorrad vom Typ Jawa befanden, erworben am 30. Juni 1967 von einer namentlich nicht bekannten Person.
Einige Tage nach dem Bekanntwerden des Verschwindens von Ulrich Henke kontaktierte sein Vater dessen Arbeitsstelle, die Interflug GmbH, um an mehr Informationen zu gelangen. Ihm wurde mitgeteilt, dass sein Sohn seit dem 22. September nicht mehr zur Arbeit erschienen sei. Auch auf ein Telegramm vom 23. September, durch den Flughafenleiter von Barth an ihn gesendet, hätte Ulrich Henke nicht mehr geantwortet. Nach den Recherchen im Arbeitsumfeld seines Sohnes kontaktierte Ulrichs Vater die Ehefrau seines zweiten Sohnes. Auch sie teilte ihm mit, dass Ulrich seit dem 22. September nicht mehr gesehen worden sei. Sie berichtete, dass Sachen von Ulrich Henke am Strand gefunden wurden. Er soll mit einem Faltboot auf die Ostsee hinausgefahren sein. Auch Edith Morack, eine Bekannte der Familie, sei seit diesem Zeitpunkt vermisst. Diese Indizien ließen den Vater schlussfolgern, dass sein Sohn und die Bekannte Edith Morack gemeinsam einen Fluchtversuch über die Ostsee unternommen haben müssen.
Zur Aufklärung des versuchten Grenzübertritts wurde Ulrichs Vater Anfang Oktober 1967 durch das Ministerium für Staatssicherheit vernommen. Er war als Diplom-Ökonom tätig, ein angesehenes SED-Mitglied und wurde von seinen Parteigenossen als „politisch zuverlässig“ eingestuft. Auf die Fragen der Mitarbeiter antwortete er, dass er in der Vergangenheit bei seinem Sohn keine Anzeichen wahrgenommen hätte, die auf den Wunsch, die DDR zu verlassen, hingedeutet hätten. Generell sei sein Sohn mit den politischen Entwicklungen in der DDR einverstanden gewesen, jedoch habe er teilweise etwas oppositionelles Verhalten gezeigt, beispielsweise, indem er gerne Beatmusik gehört habe oder sich teilweise unbedacht geäußert hätte. Diese unterschiedlichen politischen Ansichten hätten in der Familie zu Auseinandersetzungen geführt. Der Vater betonte jedoch, dass diese hauptsächlich in einem sachlichen Ton stattgefunden hätten.
Ulrichs Mutter verbrachte ihren Sommerurlaub vom 13. bis zum 28. August 1967 in Prerow. Da Ulrich Henke in der Nähe, am Flughafen Barth, stationiert war, besuchte er seine Mutter. Ihr gegenüber offenbarte er seinen Unmut über seinen Vater mit folgenden Worten: „Naja, mit dem fliegenden Personal ist es jetzt auch vorbei. Wie ich in meiner Kaderakte gesehen habe, hat Vati bei der Interflug angegeben, daß ich so verrückt auf den Westen bin.“ Diese Äußerung offenbart, wie die politische Einstellung des Vaters und die Sehnsüchte und Zukunftswünsche des Sohnes kollidierten. Während der Befragung mit dem Ministerium für Staatssicherheit kommentierte Ulrichs Vater diese Äußerung seines Sohnes damit, dass er den Standpunkt vertreten habe, dass sein Sohn für einen Auslandseinsatz politisch noch nicht reif genug gewesen sei. Er sollte seine beruflichen Kenntnisse erstmal innerhalb eines Fachgebietes vertiefen. Der Vater schlussfolgerte, dass der Vermerk in der Kaderakte und die damit schwindende Chance auf die Möglichkeit, beruflich aufzusteigen und Auslandsreisen unternehmen zu können, bei Ulrich zum Entschluss geführt haben, die DDR zu verlassen und seinen Traum in Westdeutschland zu verwirklichen. Ulrichs Eltern verurteilten die Handlungen ihres Sohnes gegenüber dem MfS.
Die Vorbereitungen zur Flucht vollzog Ulrich Henke jedoch nicht allein, sondern mit Edith Morack, einer jungen Kindergärtnerin. Sie war mit einem Hamburger Seemann verlobt. Es war ihr großer Wunsch, nach Westdeutschland zu gelangen, um endlich mit ihrem Partner zusammenleben und ihn heiraten zu können. Bisher hatte sich die gemeinsame Zeit des Paares auf kurze Treffen in Berlin und einen gemeinsamen Jahresurlaub im Ostseebad Prerow beschränkt. So hielten sich die beiden Verliebten auch ab Ende August 1967 in Prerow auf. Vermutlich trafen sie hier auf Ulrich Henke, der seine Verwandten in Prerow besuchte. Möglicherweise tauschte sich das Dreiergespann hier über die Möglichkeiten zum Verlassen der DDR aus und schmiedete einen gemeinsamen Fluchtplan. Welche Beziehung das Paar und Ulrich Henke zueinander hatten und ob sie sich schon vor dem Urlaub kannten, kann nicht rekonstruiert werden.
Edith Moracks Verlobter soll am 20. September 1967, dem vorletzten Tag des gemeinsamen Sommerurlaubs, noch in Prerow gewesen sein und plante, seine Lebensgefährtin einen Tag später zur Bahn zu bringen. Aufgrund dieser Tatsachen entstand nach Zeugenaussagen der Verdacht, dass er bei den Fluchtvorbereitungen involviert war. Auch Ulrich Henke wurde an diesem Tag das letzte Mal lebend gesehen. Vermutlich nur wenige Zeit nach dem Abschied von Moracks Verlobten versuchten Edith Morack und Ulrich Henke zwischen dem 22. und 24. September, die DDR mit einem Faltboot vom Darß aus zu verlassen.
Am 24. September 1967 wurde durch einen Forstarbeiter in einem Waldstück in Prerow in der Nähe des Strandes eine Grube von drei Metern Länge und vierzig Zentimetern Tiefe entdeckt, die offensichtlich als Versteck für das Faltboot gedient hatte. Weiterhin befanden sich in der Grube ein Faltbootsack, eine Damensilastik-Hose und ein Schein mit einer Gebrauchsanweisung für Schwimmwesten, auf dem Henkes Name vermerkt war. Neben den persönlichen Gegenständen wurden mehrere Pinsel und eine angebrochene Flasche mit schwarzer Nitrofarbe gefunden.
Am selben Tag entdeckte die Besatzung eines Fischkutters ein Zwei-Personen-Faltboot etwa eine Seemeile nördlich vom Dornbusch, der nördliche Spitze der Insel Hiddensee. Die vordere Hälfte des Bootes war mit schwarzer Nitrofarbe überpinselt. Im Boot befanden sich eine Spritzdecke und zwei Schwimmbeutel. Das Faltboot wurde der Grenzbrigade Küste übergeben und nach Ermittlungen Edith Morack und Ulrich Henke zugeordnet.
Die Leiche der 24-jährigen Edith Morack wurde am 25. September 1967 am Weststrand der Insel Hiddensee zwischen Vitte und Neuendorf aufgefunden. Nach ihrem Leichenfund suchte ihr Verlobter den Kontakt zur Familie Henke.
Am 4. Oktober 1967 wurde gegen 13.30 Uhr vom finnischen Fährschiff „Finnpartner“ eine Wasserleiche in der Ostsee gesichtet, geborgen und der Lübecker Kriminalpolizei übergeben. Diese wurde später als Ulrich Henke identifiziert.
Am 5. Oktober 1967 meldete die Lübecker Polizei das Auffinden des Leichnams an die Dienststellen der DDR. Am selben Tag traf bei Familie Henke ein Telegramm von Ediths Verlobtem aus Hamburg ein, in dem stand: „Zu dem mir unfaßbaren Tod meiner lieben Edith und meines Freundes Ulli sendet Ihnen in tiefer Trauer […]“. In einem zweiten Telegramm vom 6. Oktober bot er ihnen Hilfe bei der Überführung der Leiche des Sohnes an. Zudem wurde am 9. Oktober 1967 bekannt, dass Ediths Verlobter im Vorfeld Kontakt zum Rechtsanwalt Dr. Vogel in Berlin gesucht hatte. Bei diesem sei am 28. September, also wenige Tage nach dem Fluchtversuch, ein Brief eingegangen, der Ulrich Henke entlasten sollte: Bei einer Verhaftung von Ulrich Henke sollte Dr. Vogel seine Verteidigung übernehmen, da er Edith nur hätte helfen wollen zu ihrem Verlobten nach Westdeutschland zu kommen. Ediths Verlobter war nicht davon ausgegangen, dass der Fluchtversuch mit dem Faltboot tödlich enden könnte, da an dem betreffenden Tage schönes Wetter vorausgesagt worden war. Er hatte höchstens mit einer Verhaftung der beiden Flüchtlinge gerechnet.