Herbert Gerd Rudolf Dessel wurde am 10. Dezember 1940 in Rostock geboren. Seine Mutter stammte aus einem kleinen Dorf in Hinterpommern. Dessel lebte in Rostock und heiratete hier im Juni 1961; aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Über seinen beruflichen Werdegang ist nichts bekannt, lediglich, dass er bei einer Firma beschäftigt war.
Zur Flucht von Herbert Dessel liegen detailliertere Erkenntnisse vor, da er sie nicht allein begangen hat: Seit Freitagabend, dem 2. September 1966, galt Dessel als vermisst. Die polizeilichen Ermittlungen brachten zutage, dass er die DDR in der Nacht vom 4. zum 5. September zusammen mit einem Bekannten von Warnemünde aus durch das Anschwimmen eines Schiffes verlassen wollte. Der Bekannte – ein 17-Jähriger aus Rostock, der am 6. September volljährig werden sollte – sagte bei einer Befragung acht Jahre später in Hamburg aus, dass beide mit einem Pkw der Firma, in der Dessel beschäftigt war, bis zur Warnemünder Mole fuhren. In einem Lokal lernten sie zwei Seeleute eines norwegischen Schiffes kennen, das im Überseehafen vor Anker lag. Diese waren bereit, sie als blinde Passagiere aufzunehmen, wenn die Flüchtlinge es aus eigener Kraft schafften, außerhalb der Dreimeilenzone, also der Territorialgewässer der DDR, zu gelangen.
Der Bekannte schilderte die Flucht folgendermaßen: Beide gingen nur mit Badehose bekleidet im Hafen ins Wasser und schwammen ca. 45 Minuten Richtung offene See. Zur Sicherheit hatten sie einen Rettungsring vom Leuchtturm abgerissen, den sie abwechselnd vor sich herschoben und an dem sie ab und zu eine kurze Verschnaufpause einlegten. Dann sackte Dessel, der die ganze Zeit zwei Meter neben ihm schwamm, plötzlich und ohne erkennbaren Grund ab. Bis dahin sei nicht zu merken gewesen, dass seine Kräfte nachließen. Der Bekannte habe noch versucht, nach ihm zu tauchen, ihn aber nicht finden können.
Dessels Mitflüchtling habe daraufhin die Flucht aufgegeben und sei nach Warnemünde zurückgekehrt. Er ließ sich von einem Taxi nach Hause zu seinen Eltern fahren und berichtete am nächsten Tag einem Schulfreund von der Nacht. Dieser zeigte den Fluchtversuch bei der Polizei an, woraufhin er verhaftet und verurteilt wurde.
Am 13. September 1966 wurde am Strand von Neuhaus in Dierhagen nahe der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst eine unbekannte männliche Wasserleiche aufgefunden – 800 Meter westlich des FDGB-Heimes Lebensfreude. Dessels Bekannter sollte die Leiche identifizieren, konnte es aber aufgrund der längeren Liegezeit im Wasser von fast zehn Tagen nicht mit letzter Sicherheit tun. Der Stiefvater von Herbert erkannte seinen Sohn hingegen anhand einer Narbe am Knie und konnte somit bestätigen, dass er während der Flucht ums Leben gekommen war.