Die Zentrale Auskunfts- und Informationsgruppe des DDR-Staatssicherheitsdienstes meldete am 17. August 1987 in ihrer internen Wochenübersicht Nr. 33/87 über „gegnerische Aktivitäten anläßlich des 26. Jahrestages der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls am 13. August 1961 und damit im Zusammenhang stehende Vorkommnisse im Inneren der DDR” ohne Namensangabe einen „Mord an einem Bürger der DDR durch einen Unteroffizier der NVA”. Beim Getöteten handelte es sich um Rolf Schmidt.
Der Handwerker Rolf Schmidt wollte am 13. August 1987 das Dach eines Bungalows reparieren, der in einem Waldgebiet etwa drei Kilometer westlich von Mühlhausen in der Gemarkung Kuhrasen stand. Rolf Schmidt arbeitete als Dachdecker im Kombinat VEB „Sponeta” Schlotheim, er war Mitglied der Kampfgruppen der Arbeiterklasse. Mit der Bungaloweigentümerin Gisela K. fuhr Schmidt in deren Lada am frühen Morgen zum Wochenendhaus. Mit im Fahrzeug saßen Schmidts Sohn Thomas und der Sohn von Gisela K. Gegen 7.30 Uhr erreichte man das Grundstück. Frau K. und Rolf Schmidt fiel beim Betreten des Grundstücks auf, dass das Eingangstor unverschlossen war und ein Trabant Kübel der Volksarmee in der Einfahrt des Grundstücks stand. Während der Sohn von Frau K. im Auto blieb, begaben sich die anderen drei zum Bungalow. Als Rolf Schmidt die Klinke der Eingangstür des Bungalows niederdrückte, stellte er fest, dass sie nicht verschlossen war. Noch während er das der hinter ihm stehenden Frau K. mitteilte und die Tür öffnete, fielen zwei Schüsse aus dem Inneren des Wochenendhauses. Schmidt stürzte, von einem Bauchschuss getroffen, zu Boden. Der Schütze trat anschließend vor die Tür. Er hielt eine Maschinenpistole in der Hand und herrschte Frau K. an, sie solle sofort ihr Fahrzeug aus der Einfahrt entfernen.
Thomas Schmidt erinnert sich folgendermaßen an das Geschehen:„Der Schütze forderte Frau K. auf, das Auto aus der Einfahrt zu entfernen, was diese zur Flucht nutzte. Ich fragte, ob ich auch gehen dürfe, worauf er sagte, ja hau ab. Ich rannte zum Eisenbahnerheim Waldfrieden[,] um die SMH [Schnelle Medizinische Hilfe] zu rufen. Diese trafen auch zuerst am Tatort ein, aber weil sie von mir erfahren haben, dass mein Vater angeschossen wurde und der Schütze noch nicht gefasst wurde, sind sie nicht auf das Grundstück und haben sich zurückgezogen. Der kurze Zeit später eingetroffene ABV sagte auch, er geht nicht auf das Grundstück und hat über Funk seine Vorgesetzten informiert. Er sagte, die Jungs mit den langen Waffen sollen kommen. Ich wartete im Waldfrieden, bis mich die Volkspolizei mit aufs Polizeirevier in der Waidstrasse brachte, wo gegen 16 Uhr zwei Herren aus Berlin eintrafen und mich bis etwa 18 Uhr verhörten. Dann wurde ich nach Hause gefahren. Meiner Mutter haben sie gesagt, dass mein Vater einen Unfall hatte und er verstorben sei. Keine Betreuung, Seelsorge etc. auch nicht, was mit mir ist …”
Nach dem Täter, Unteroffizier Steffen R., wurde seit dem 9. August 1987 gefahndet. Er hatte am frühen Morgen gegen 4 Uhr das Feldlager Dolgen, Kreis Neustrelitz, mit einem Trabant Kübel verlassen und eine Maschinenpistole sowie zwei Magazine mit 60 Patronen mitgenommen. Sofort nachdem die Lage am Wochenendhaus von der Funkstreifenbesatzung der Zentrale in Mühlhausen gemeldet worden war, löste die Volkspolizei Großfahndung aus. Der Täter wurde wenig später festgenommen. Er hatte den Bungalow verlassen und versuchte, mit dem NVA-Trabant eine Straßensperre der Volkspolizei zu passieren. Er täuschte zunächst vor, zu den Einsatzkräften zu gehören und ließ sich dann ohne Widerstand entwaffnen und festnehmen. Bei seiner ersten Vernehmung gab er an, er habe vorgehabt, in der Nacht zum 14. August 1987 über die Grenze in den Westen zu flüchten. Der DDR-Staatssicherheitsdienst ordnete das, wie eingangs zitiert, allen Ernstes unter „gegnerische Aktivitäten anläßlich des 26. Jahrestages der Errichtung des antifaschistischen Schutzwalls am 13. August 1961 und damit im Zusammenhang stehende Vorkommnisse im Inneren der DDR” ein.