Am Mittag des 18. September 1986 ereignete sich im Bayerischen Wald ein dramatischer Zwischenfall, der das Verhältnis der Tschechoslowakei zur Bundesrepublik Deutschland und zum Freistaat Bayern nachhaltig störte. Die Angelegenheit betraf auf diplomatischer Ebene das für die Tschechoslowakei zuständige Referat 214 der Abteilung 2 im Auswärtigen Amt. Nach der im Referat erstellten Chronologie wollten am 18. September 1986 gegen 13.00 Uhr zwei junge Polen bei Mähring im Landkreis Tirschenreuth die tschechoslowakischen Sperren Richtung Westen überwinden. Sie wurden von Grenzsoldaten entdeckt und beschossen. Einem gelang die Flucht, der andere wurde festgenommen. Nach tschechoslowakischen Angaben sei um 13.15 Uhr der deutsche Staatsangehörige Johann Dick auf Bundesgebiet von einer Kugel getroffen worden und habe um Hilfe gerufen. Ein tschechoslowakischer Grenzsoldat sei ihm zu Hilfe geeilt und habe mit Schüssen in die Luft weitere Grenzsoldaten herbeigerufen. Dick sei auf tschechoslowakisches Gebiet gebracht und mit einem Krankenwagen abtransportiert worden. Bei der Ankunft im Krankenhaus Tachau um 13.45 Uhr sei er nicht mehr am Leben gewesen. Am folgenden Morgen ging um 8.30 Uhr bei der deutschen Polizei die Vermißtenmeldung der Familie Dick ein. Der pensionierte Oberstleutnant der Bundeswehr Johann Dick war am Morgen des 18. September zum Wandern in das Waldgebiet bei Hermansreuth gefahren. Zum Zeitpunkt des Zwischenfalls befand er sich wenige hundert Meter vor seinem Ausflugsziel, einer Gaststätte mit Forellenzucht. Die telefonische Anfrage des westdeutschen Grenzbeauftragten bei den tschechoslowakischen Behörden um 16.25 Uhr nach einer möglichen Festnahme Dicks auf dem Gebiet der ČSSR blieb zunächst ergebnislos. Abends erfolgte die Unterrichtung der deutschen Botschaft in Prag. Johann Dicks Familie erhielt erst zwei Tage nach seinem spurlosen Verschwinden die Nachricht von seinem Tod.
Im Außenministerium erhielt der stellvertretende Botschafter Peter Metzger vom amtierenden Leiter der für Deutschland zuständigen 4. Länderabteilung, Krepelak, um 20.15 Uhr folgende Auskunft: „In den Nachmittagsstunden des 18.09.1986 versuchte eine Gruppe ausländischer Staatsangehöriger die tschechoslowakische Staatsgrenze illegal zu überschreiten. Bei der Aktion der Grenzorgane – in der CSSR – gegenüber den Grenzverletzern wurde in nächster Nähe der … Grenze – auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland – eine unbekannte Person verletzt. In dem Bestreben, dem Verletzten Hilfe zu leisten, wurde er auf das Gebiet der CSSR hinübergetragen und der sofortige Transport ins Krankenhaus gewährleistet. Beim Transport ins Krankenhaus ist er seiner Verletzung erlegen. Bei der Prüfung der später gefundenen Dokumente wurde festgestellt, daß es sich um einen Bürger der Bundesrepublik Deutschland handelte, der in der erwähnten Zeit sich in Nähe der Staatsgrenze befand. Die zuständigen tschechoslowakischen Organe führen ausführliche Untersuchungen der Umstände durch, unter denen es zu dem bedauernswerten Ereignis gekommen ist. Sollte sich bestätigen, daß die gültigen tschechoslowakischen Vorschriften verletzt wurden, werden gegenüber den verantwortlichen Personen entsprechende Schlußfolgerungen gezogen. Ich bin beauftragt, ihnen die Entschuldigung und das Bedauern der tschechoslowakischen Organe zum Ausdruck zu bringen.“ Auf Nachfrage wurde weiter mitgeteilt, daß der Getötete Johann Dick heiße. Angaben zum Ort des Vorfalls und zu den anderen erwähnten Personen machte Krepelak nicht. Metzger sagte die unverzügliche Unterrichtung der Bundesregierung zu. Das Fernschreiben wurde um 21.00 Uhr mit dem höchsten Dringlichkeitsvermerk an das Auswärtige Amt abgesetzt. Es endete mit dem Hinweis, die deutsche Reaktion sollte wegen des Falls Mammonas nicht zu schroff ausfallen.
Manuela-Jasmin Mammonas hielt sich seit dem 11. September 1986 in der westdeutschen Botschaft in Prag auf. Sie war die Tochter einer Sächsin und eines Griechen und hatte die DDR im März 1986 verlassen dürfen. In der Bundesrepublik behielt sie ihre doppelte Staatsangehörigkeit. Im September 1986 ließ sie sich in ihre beiden Reisepässe durch die tschechoslowakischen Botschaften in Bonn und Wien Visa eintragen. Sie zeigte bei der Einreise in die Tschechoslowakei am 6. September 1986 am Grenzübergang Furth im Wald ihren griechischen Paß vor, der ordnungsgemäß gestempelt wurde. Dann traf sie sich mit ihrem ostdeutschen Freund Klaus-Peter Gerlach. Der griechische Paß wurde auf Manuel Mammonas verändert. Damit gelang Klaus-Peter Gerlach am 11. September die Ausreise mit dem Fernzug Vindobona nach Wien. Manuela-Jasmin Mammonas sprach zur selben Zeit in der westdeutschen Botschaft in Prag vor. Sie hatte in ihrem deutschen Pass den Einreisestempel nachgeahmt, dann aber Zweifel über die Ausreise damit bekommen. In der Botschaft wurde der Paß wegen der plumpen Fälschung als unbrauchbar gewertet und dem Auswärtigen Amt verschiedene Vorschläge zur Lösung des Falls unterbreitet. Er wurde im Kontext mit dem Fall Johann Dick gelöst.
Die Untersuchung des Vorfalls auf der bayerischen Seite ergab, dass am 18. September 1986 gegen 13.00 Uhr im Grenzabschnitt 4 südlich Mähring ein polnischer Staatsangehöriger illegal die Landesgrenze nach Deutschland überschritten hatte. „Der Flüchtling war in Begleitung eines 19jährigen Freundes.“ Die Flucht sei am Sicherheitszaun bemerkt und die Flüchtlinge von tschechoslowakischen Grenzposten zum Stehenbleiben angerufen worden. „Anschließend wurden drei Einzelschüsse und mehrere Feuerstöße abgegeben, die auch von Anwohnern der Ortschaft Treppenstein gehört werden konnten. Während dem Flüchtling unter größter Eile das Übersteigen des Sicherheitszaunes möglich war, wurde sein Freund vermutlich festgenommen. In diesem Bereich wurden an mehreren Bäumen auf tschechoslowakischer Seite zwei Streifschüsse und ein Steckschuß und auch an einem Baum auf deutscher Seite zwei Einschüsse festgestellt.“ Johann Dick wurde seit dem Morgen des 18. September vermißt, sein Auto am folgenden Tag versperrt in Hermannsreuth aufgefunden. Eine Suchaktion blieb erfolglos. Beim Treffen der beiden Grenzbeauftragten Ender und Kolar am Übergang Mühlbach/Pomezi am Abend des 20. September 1986 wurde der Schußwaffeneinsatz von tschechoslowakischer Seite bestätigt. Die auf deutschem Gebiet aufgefundene verletzte Person sei auf dem Transport ins Krankenhaus verstorben. Die Leiche befände sich im Krankenhaus Pilsen. Die Überführung werde über den Grenzübergang Waidhaus/Rozvadov erfolgen. Inzwischen hatte der Vorfall die Regierungsebene erreicht.
Diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (ČSSR) waren 1973 erst nach langen und schwierigen Verhandlungen aufgenommen werden. Am 11. Dezember 1973 unterzeichneten Bundeskanzler Willy Brandt und der tschechoslowakische Ministerpräsident Lubomir Strougal sowie die beiden Außenminister Walter Scheel und Bohuslav Chnoupek im Prager Außenministerium den Vertrag über die gemeinsamen Beziehungen. Gemäß dessen Artikel III und IV würden sich beide Staaten von der Charta der Vereinten Nationen leiten lassen und alle Streitfragen ausschließlich mit friedlichen Mitteln lösen sowie sich „der Drohung mit Gewalt oder der Anwendung von Gewalt enthalten.“ Die Unverletzlichkeit der gemeinsamen Grenze wurde ebenso bestätigt wie die Verpflichtung zur Achtung der territorialen Integrität. Am selben Tag wurde die Aufnahme diplomatischer Beziehungen auf Botschafterebene und die Errichtung von Botschaften in Prag und Bonn vereinbart. Ebenfalls im Dezember 1973 schlossen Österreich und die ČSSR einen Vertrag über das Verfahren zur Untersuchung von Vorfällen an der gemeinsamen Staatsgrenze. Eine ähnliche Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ČSSR wurde im November 1981 getroffen. Die Grenzbevollmächtigten waren auch in den Fall Dick involviert.
Am 20. September 1986 meldete die tschechoslowakische Nachrichtenagentur Ceteka den Vorfall. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher veranlasste eine Presseerklärung zu dem Zwischenfall und die Einbestellung des tschechoslowakischen Botschafters Dusan Spacil ins Auswärtige Amt. In der Presserklärung steht: „Die Bundesregierung verurteilt aufs schärfste den rücksichtslosen Schußwaffengebrauch an der Grenze und den völkerrechtswidrigen Übergriff auf deutsches Hoheitsgebiet. Sie betrachtet das Vorgehen der tschechoslowakischen Grenzorgane als eine schwerwiegende Verletzung der gutnachbarlichen Beziehungen. Sie verlangt volle und rückhaltlose Aufklärung des Sachverhalts, Bestrafung der Schuldigen und umfassende Unterrichtung über das Geschehen. Sie behält sich weitere Schritte vor.“ Der westdeutsche Botschafter Werner Schattmann wurde beauftragt, unverzüglich im tschechoslowakischen Außenministerium möglichst hochrangig zu demarchieren und Protest gegen den Grenzzwischenfall einzulegen mit Bezug auf die Presseerklärung und dem Hinweis auf die Unmenschlichkeit des Schußwaffengebrauchs sowohl gegenüber Personen, die das „Recht auf Freizügigkeit wahrnehmen wollen, als auch gegenüber unbeteiligten Dritten auf unserem Hoheitsgebiet.“ Das Vorgehen der tschechoslowakischen Grenzorgane stehe in eklatantem Widerspruch zu den im Prager Vertrag und in der Schlußakte von Helsinki verankerten Prinzipen des Verbots der Gewaltandrohung und -anwendung und der Unverletzlichkeit der Grenzen. Weitere Punkte waren die Wiedergutmachung des Schadens auch hinsichtlich der Hinterbliebenen, die Rüge wegen verspäteter Information und die Forderung nach unverzüglicher Überführung der Leiche sowie der Hinweis auf die große Erregung und die Anteilnahme der deutschen Öffentlichkeit.
Botschafter Werner Schattmann sprach am 22. September 1986 um 9.00 Uhr beim Leiter der 4. Länderabteilung des Außenministeriums Kadnar wegen des Falls Mammonas vor. Ihm wurde erneut das tiefe Bedauern auch der politischen Führung des Landes über den Fall Dick mitgeteilt. Dessen Leiche werde um 15.00 Uhr übergeben. Es werde auch eine umfassende Unterrichtung der Bundesregierung über die Bestrafung der Schuldigen erfolgen. Mit der Leiche Dicks wurde auch der tschechoslowakische Obduktionsbefund übergeben. Demnach erlitt Johann Dick durch einen Schuß in die Bauchhöhle eine schwere Verletzung, die seinen Tod durch Verbluten nach sich zog. Das Bayerische Staatsministerium des Innern ließ alle vereinbarten Termine mit der tschechoslowakischen Seite bis zur Aufklärung des Grenzzwischenfalls absagen. Neue Zwischenfälle verschärften die Situation. Am 22. September 1986 wurden ebenfalls im Landkreis Tirschenreuth zwei flüchtende DDR-Bürger von tschechoslowakischen Grenzern nach Anruf beschossen, konnten aber unverletzt bayerisches Gebiet erreichen. In der Sitzung des Bundeskabinetts zwei Tage später sorgten die Vorfälle für Unruhe. Bundeskanzler Helmut Kohl wünschte eine deutliche Reaktion.
Botschafter Werner Schattmann traf am Nachmittag des 24. September 1986 in Prag mit dem stellvertretenden Außenminister Jaromir Johanes auf dessen Wunsch zusammen. Der Politiker erklärte: „Bei dem Grenzzwischenfall handelt es sich um ein sehr ernstes und bedauerliches Ereignis. Wir haben dafür bereits mehrfach um Entschuldigung gebeten und unser tiefes Bedauern ausgedrückt. Wir übernehmen die volle Verantwortung. Der Hergang wurde in den letzten Tagen von den verantwortlichen Stellen genau überprüft.“ Danach verlas Johanes den übersetzten tschechischen Bericht und händigte dem Botschafter das Papier aus. Demnach waren insgesamt 39 Soldaten der Grenzwache zum Abfangen der Flüchtlinge im Abstand von mehreren hundert Metern zur Grenze eingesetzt gewesen. Der Pole Andrzej Gwizdo sei um 12.36 Uhr festgenommen worden. Der andere Flüchtling sei weiter Richtung Grenze vorgedrungen und etwa hundert Meter davor aufgefordert worden, stehen zu bleiben. Da er dem nicht nachkam, wären Warnschüsse in die Luft abgegeben und dann sei gezielt geschossen worden. Der Schusswaffeneinsatz wäre so lange erfolgt, bis der Flüchtende in einem dichten unübersichtlichen Baumbestand verschwand. Der Leiter der Aktion habe darauf den Befehl zum Rückzug gegeben. Dann habe ein Grenzer Hilferufe gehört. Der Angehörige der Grenzwache war überzeugt, daß es sich um den verfolgten Grenzverletzer handelte. Deshalb begab er sich zu der Stelle, von wo gerufen wurde, wo er ca. 50 Meter von der Staatsgrenze entfernt einen liegenden Mann fand. Nach Feststellung, daß die Person eine Schußverletzung hatte und daß er selbst dem Verletzten keine wirksame Hilfe leisten konnte, beschloß er entsprechend den geltenden Vorschriften, diese mit einer in die Luft abgegebene Salve aus seiner Maschinenpistole herbeizuholen. Kurz darauf seien im angegebenen Raum vier Grenzer eingetroffen und hätten dem Verletzten Erste Hilfe durch Verbinden der Wunde geleistet. Sie brachten ihn auf das Gebiet der ČSSR und ließen ihn ins Krankenhaus Tachau transportieren. Später sei festgestellt worden, daß der Verwundete nicht der Grenzverletzer war, sondern der Bundesbürger Johann Dick, der sich zu dieser Zeit in der Nähe der Staatsgrenze bewegt hatte. Das Ausmaß des Verschuldens der tschechoslowakischen Grenzorgane und diese Ereignisse seien Gegenstand weiterer Ermittlungen, die durch die Militärstaatsanwaltschaft geführt würden. Gegen die verantwortlichen Personen würden Konsequenzen in Übereinstimmung mit der tschechoslowakischen Rechtsordnung gezogen.
Um die gleiche Zeit traf Außenminister Hans-Dietrich Genscher am Rande der UNO-Vollversammlung in New York mit seinem tschechoslowakischen Amtskollegen Bohuslav Chnoupek zusammen. Die Begrüßung erfolgte ohne Handschlag. Das etwa halbstündige Gespräch in frostiger Atmosphäre drehte sich fast ausschließlich um den Grenzzwischenfall. „Genscher unterstrich, daß die Erschießung eines Deutschen auf deutschem Boden eine schwere Belastung der Beziehungen darstelle. Sie werde dadurch vergrößert, daß wenige Tage nach diesem Zwischenfall erneut Schußwaffen eingesetzt worden seien. Die Bundesregierung erwarte jetzt, daß jeder Schußwaffengebrauch eingestellt werde.“ Der tschechoslowakische Außenminister sprach sein Bedauern aus und versicherte, „daß der Vorfall weiter untersucht werde. […] Die ganze Angelegenheit sei von großer Peinlichkeit, vor allem, weil es sich bei den in den Vorfall Verwickelten um Staatsangehörige aus anderen Ländern des Warschauer Pakts gehandelt habe.“ Mit Bezug auf den Vorfall vom 22. September 1986 brachte Genscher die Erwartung der Bundesregierung zum Ausdruck, „daß ein Gebrauch von Schußwaffen an der Grenze unterbleibe. Er stehe in einem Widerspruch zu einem gut nachbarschaftlichen Verhältnis. Er appelliere deshalb an die Führung der ČSSR, die Schießpraxis einzustellen.“ Chnoupek sagte die Weiterleitung der Forderung an den Präsidenten und den Regierungschef der Tschechoslowakei zu.
Die tschechoslowakischen Grenzbehörden reagierten am 1. Oktober 1986. Im Befehl des Chefs der Hauptverwaltung der Grenzwache und des Schutzes der Staatsgrenze steht: „Am 18. September 1986 kam es im Abschnitt der 15. Grenzwachkompanie Broumov, 5. Grenzwachbrigade Cheb, während einer Grenzfahndung nach zwei unbekannten Personen, die versuchten, die Staatsgrenze von der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik in die Bundesrepublik Deutschland illegal zu überqueren, durch eine Gruppe von Angehörigen der Grenzwache zum Einsatz der Waffe und zur Tötung einer unbeteiligten Person – eines deutschen Staatsangehörigen.“ Dieses Ereignis stelle einen schwerwiegenden Zwischenfall dar und schade „dem Ruf und den Interessen der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik, behindert ernsthaft die Umsetzung der Vorhaben der Führung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und des Staates auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen, wirkt sich auf die Beziehungen zwischen der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland negativ aus und hat dem Ansehen der Grenzwache in den Augen der Öffentlichkeit sowohl in der Tschechoslowakei als auch in den benachbarten Ländern ernsthaft geschadet.“ Er verbiete zur Vermeidung solcher Zwischenfälle den Einsatz bestimmter Kampfgruppen an den Außenseiten der Sperranlagen. Sie dürften nur noch dort eingesetzt werden, wo Grenzzwischenfälle ausgeschlossen seien. Der Grenzschutz solle auf der Signaltrasse und durch Absicherung der Zugänge verbessert werden. Die Fahndung nach Grenzverletzern jenseits der Sperranlagen dürften nur noch besonders geschulte Soldaten übernehmen. Bei Verletzung der Grenze von westdeutscher und österreichischer Seite aus sollten die Eindringlinge „taktvoll“ auf die Grenzverletzung hingewiesen und zurückgeschickt werden. Bei tieferem Eindringen würden die Personen festgenommen und „auf kurzem Weg auf das Gebiet des Nachbarstaates“ zurückgebracht. Bis zum 15. Oktober 1986 wären alle Berufssoldaten zu unterrichten und dann alle Formen der parteipolitischen und erzieherischen Arbeit zur Erläuterung der Befehlslage zu nutzen. Der Befehl war bei allen zuständigen Einheiten zu hinterlegen und trat am 1. Oktober 1986 in Kraft.
Westliche Medien berichteten ausführlich über den Vorfall. Zu heftigen Reaktionen kam es auf deutscher Seite, als sich nach der Leichenüberführung herausstellte, dass Teile des Magens und des Rückgrates zurückbehalten worden waren. Diese Körperteile wiesen Verletzungen auf, die Rückschlüsse auf die Verletzung Johann Dicks zuließen. Auf deutschen Protest hin durfte der Gerichtsmediziner Burkhard Schellmann vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Erlangen/Nürnberg in Pilsen die entnommenen Körperteile untersuchen, die ihm zur Rückführung übergeben wurden. Bei der Analyse der Todesursache waren sich deutsche und tschechische Experten darin einig, dass der Schuß aus einer Langwaffe die Bauchschlagader Johann Dicks zerfetzt hatte.
Der Deutsche Bundestag befaßte sich am 2. Oktober 1986 in einer von der CDU/CSU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde mit dem Todesfall. Nach Meinung des liberalen Abgeordneten Burghard Hirsch wäre die Verweigerung des Grundrechts auf Freizügigkeit das eigentliche Verbrechen. Es sei ein politisches Verbrechen, das an Millionen von Menschen begangen werde. Es wäre nicht hinnehmbar, daß auf Menschen wie auf Tiere geschossen werde. Der spätere Bundesaußenminister Joschka Fischer von den Grünen meinte: „Kein Staat in der Welt hat nach unserer festen Überzeugung das Recht, Menschen mit Waffengewalt am Verlassen eines Landes zu hindern. Kein Staat hat das Recht, auf solche Menschen zu schießen, egal, ob es Bürger oder Bürgerinnen des eigenen oder eines fremden Landes sind, egal, ob dies auf dem eigenen Territorium und erst recht nicht, wenn dies auf einem anderen Territorium geschieht. (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)“ Staatsminister Jürgen Möllemann vom Auswärtigen Amt informierte über den aktuellen Kenntnisstand.
Die diplomatische Komponente war bald beendet. Das Außenministerium der CSSR teilte der westdeutschen Botschaft in Prag am 3. Oktober 1986 mit, daß Manuela-Jasmin Mammonas am folgenden Tag über den Grenzübergang Waidhaus ausreisen dürfe. Ihr war in der Botschaft ein neuer deutscher Reisepaß ausgestellt und der alte eingezogen worden. In der Konsularabteilung des Prager Außenministeriums wurde der Pass zur Ausreise abgestempelt. Konsul Dormann brachte Mammonas in seinem Privatwagen an die Grenze. Sie wurde gebeten, in ihrer Angelegenheit absolutes Stillschweigen zu wahren. Botschafter Werner Schattmann ersuchte das Auswärtige Amt, die Sache so diskret wie möglich zu behandeln.
Botschafter Dusan Spacil übermittelte Johann Dicks Sohn Gerhard und seiner Familie am 2. Dezember 1986 schriftlich sein Beileid zum Ableben des Vaters mit und versicherte, „daß ich diesen Fall zutiefst bedauere und Ihren menschlichen Gram verstehe.“ Die ČSSR übernehme die Verantwortung und verspreche „Entschädigung der Familie und Bestrafung der Schuldigen, falls es zur Verletzung der tschechoslowakischen Gesetze gekommen ist.“ Ein Verfahren gegen die Täter wurde auf deutscher Seite nicht bekannt. Die Familie erhielt eine Entschädigung in Höhe von 100.000 DM.
Eine weitere Aufklärung der Todesumstände Johann Dicks war erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs möglich. Die Staatsanwaltschaft Weiden ermittelte, dass am Mittag des 18. September 1986 die polnischen Staatsangehörigen Andrej Gwizdon und Marek Majko über die Grenze fliehen wollten. Grenzsoldaten hätten auf tschechoslowakischem Gebiet von der Schußwaffe Gebrauch gemacht; Gwizdon wäre unverletzt festgenommen worden, Majko sei die Flucht geglückt. Bei seiner Verfolgung hätten mindestens vier Grenzsoldaten die Grenze überschritten und seien bis zu 200 Meter in deutsches Gebiet eingedrungen. Dabei hätten sie aus vier Kalaschnikow-Maschinenpistolen insgesamt 41 Schüsse abgegeben. „Dick, den die Soldaten offenbar für den geflüchteten Polen Majko hielten, wurde von einem den Umständen nach gezielten Schuß von hinten getroffen und schwer verletzt. Die Soldaten verbrachten ihn auf das Gebiet der Tschechoslowakei, wo er auf dem Transport ins Krankenhaus gegen 13.00 Uhr verstarb.“ Das sei Totschlag gemäß § 212 StGB. Das Verfahren gegen drei ehemalige ČSSR-Grenzsoldaten endete im Jahr 2001 mit Freisprüchen, da nicht festgestellt werden konnte, welcher von Ihnen die tödlichen Schüsse abgab.