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Biografisches Handbuch

Volker Swade

geboren am 28. Juli 1968 in Berlin-Friedrichshain | ertrunken am 18. September 1989 gegen 20:00 Uhr bei Komárno (ČSSR) | Ort des Vorfalls: Donau am Flusskilometer 1769 im Kataster der Ortschaft Komárno
BildunterschriftVolker Swade
BildquelleForschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin
Quelle: Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin
Am 18. September 1989 gegen 20:00 Uhr ist der 21jährige Volker Swade aus Berlin-Friedrichshain beim Versuch, die Donau an der Grenze zwischen der CSSR und der Ungarischen Volksrepublik zu durchschwimmen, ertrunken. Swade wollte gemeinsam mir Marion Slowik und deren beiden Söhnen über Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland gelangen.

Volker Swade wuchs als das jüngste von vier Kindern von Karl und Hildegard Swade in Berlin Friedrichshain auf. Bis zur B-Jugend spielte er Fußball bei der SG Berolina Stralau.

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Der großgewachsene, schlanke Junge absolvierte die 27. POS „Max Kreuziger“ und erlernte anschließend (1985 – 1987) im VEB Fleischkombinat Berlin (Leninallee) im ehemaligen Zentralvieh- und Schlachthof unweit des S-Bahnhof Storkower Straße den Beruf des Fleischers.

Während der 750-Jahr-Feier Berlins im Sommer 1987 arbeitete er als Volontär bei einer Schweizer Delphin-Show im Volkspark Friedrichshain.

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Danach war der lebenslustige, leidenschaftliche Hobby-DJ – mit blond gefärbten Haaren, einem Schnäuzer und Dauerwelle – als Kellner im „Café Melange“ (Grünberger Straße Ecke Simon-Dach-Straße) beschäftigt.

Hier lernte er Marion Slowik kennen, die sich im Sommer 1989 entschieden hatte, mit ihren beiden 9- und 14-jährigen Söhnen einen Fluchtversuch über Ungarn zu unternehmen, um zukünftig bei ihrem Verlobten in West-Berlin zu leben. Sie suchte im „Café Melange“ nach einem Fahrer, der sie mit ihren Kindern nach Ungarn bringen würde. Volker Swade entschied sich kurzfristig dazu, mit ihr gemeinsam die Flucht zu wagen.  Sein älterer Bruder Sascha Swade erinnert sich, wie ungeduldig Volker Swade damals war, dass er reisen wollte und keine Perspektive mehr in der DDR sah. „Ich erinnere mich, dass er auf dem Sofa bei mir saß und sagte: Der Osten ist Scheiße. Ich will in den Westen.“ Mehrfach habe ihn sein Bruder damals nach Feierabend besucht und mit ihm über eine Flucht in den Westen gesprochen. „Ich habe ihm geraten, in die Botschaft der Bundesrepublik in Prag zu gehen. Dort befanden sich damals schon viele DDR-Flüchtlinge. Da hätte er einfach nur über eine Mauer klettern müssen. Dass er versuchte, nach Ungarn zu gelangen, habe ich nicht verstanden.“

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Hildegard Swade hat ihren Sohn Volker zuletzt am 15. September 1989 gesehen. Daran erinnert sie sich genau, denn es war ihr 55. Geburtstag. Über seinen Fluchtplan war sie im Bilde. Am 17. September 1989 ist Volker Swade gemeinsam mit Marion Slowik und ihren Söhnen von Michael H. in dessen Pkw der Marke „Moskwitsch“ bis an die mittlerweile geschlossene Grenze zwischen der CSSR und der Ungarischen Volksrepublik gebracht worden. Sie trafen – nachdem sie eine Nacht im Auto geschlafen hatten – am 18. September 1989 um 19 Uhr in der Ortschaft Komárno ein. Als sie sich den gesperrten Grenzübergang aus einiger Entfernung angesehen und Grenzer mit Maschinenpistolen entdeckt hatten, gelangten sie zu der Überzeugung, es sei sicherer, durch die Donau zu schwimmen.

Zunächst erkundigten sie sich in einer nahegelegenen Kleingarten-Anlage, ob ihnen jemand ein Boot leihen könne. Doch dazu war niemand bereit. So entschieden sie sich in der einsetzenden Dämmerung, an einer etwa fünfhundert Meter vom Grenzübergang entfernten Stelle durch die Donau nach Ungarn zu schwimmen. Dort hatten zu diesem Zeitpunkt parallel zueinander fünf Binnenschiffe festgemacht. Volker Swade hielt diese Stelle für besonders geeignet, da die Schiffe etwa bis zur Flussmitte nebeneinanderlagen. Während Marion Slowik in voller Bekleidung ins Wasser stieg, zogen sich Volker Swade und die beiden Kinder erst aus, bevor sie in den Fluss gingen. Volker Swade hatte einige ihm wichtige Dinge und Papiere wasserdicht in einer Plastiktüte verpackt, die er in einer Hand hielt.

Kaum im Wasser ließ Volker Swade angesichts der heftigen Strömung diese Tüte sofort wieder los, erinnert sich der damals 14jährige Torsten Slowik, der zusehen musste, wie seine Mutter, sein kleiner Bruder und Volker Swade von der Strömung unter die Wasseroberfläche gezogen wurden: „Mein kleiner Bruder tauchte nur deshalb wieder auf, weil Volker ihm unter Wasser einen Schubs gab. Ich hatte mich sofort als ich im Wasser war an einem Ankertau festgehalten.“

Bereits am 10. Oktober 1989 wandte sich Hildegard Swade erstmals an das Generalsekretariat des Zentralen Suchdienstes der Deutschen Demokratischen Republik, um etwas über das Schicksal ihres verschwundenen Sohnes zu erfahren. Später folgte eine Vermisstenanzeige beim Polizeipräsidenten in Berlin. Auch der Fernsehsender SAT 1 („Bitte melde Dich!“) zeigte Interesse an dem Fall. Doch ihr Sohn blieb unauffindbar. Anfang 1995 teilten ihr Mitarbeiter des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) auf ihre Anfrage hin mit, dass es „keine Hinweise auf eventuell vorhandene Unterlagen gebe“.

Erst am 27. März 1995 erfuhr Hildegard Swade durch ein Schreiben des Polizeipräsidiums Berlin, dass am 25. September 1989 – also eine Woche nach dem gescheiterten Fluchtversuch – am Flusskilometer 1 894,6, nahe der ungarischen Ortschaft Nagymaros, die Leiche eines jungen Mannes mit braunen Augen, „roten Haaren und rotem Bart“ gefunden worden sei. Tatsächlich handelte es sich nach späteren Angaben der Deutschen Botschaft um Flusskilometer 1 713.  Der Tote hatte auf der rechten Schulter zwei markante Tätowierungen, einstehender Löwe sowie ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln. Die Leiche war mit einem grünen Poloshirt und einer weißen Unterhose bekleidet. Er wurde am 5. Oktober 1989 auf dem Friedhof in Nagymaros (Ungarn), Parzelle N, Reihe 9, Grab Nr. 5, als „unbekannter Toter“ beerdigt.

Nach Auskunft eines Gerichtsmediziners können blondgefärbte Haare einer ertrunkenen Person nach längerem Aufenthalt im Flusswasser eine rötliche Färbung annehmen. Hildegard Swade, die in der Beschreibung ihren vermissten Sohn erkannte, ersuchte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Budapest mit Schreiben vom 31. März 1995, die Überführung der sterblichen Überreste nach Berlin zu veranlassen.

Dazu ist es jedoch nicht gekommen, da man seitens der Botschaft keine Bereitschaft zeigte, die beträchtlichen Exhumierungs- und Überführungskosten zu übernehmen.  Weder im Auswärtigen Amt, noch in der Deutschen Botschaft Budapest, noch bei dem ebenfalls mit dem Todesfall befassten Bundeskriminalamt in Wiesbaden sind Unterlagen zu dem Todesfall aufbewahrt worden Da keine Exhumierung und Untersuchung der „unbekannten“ Leiche vorgenommen wurde, existiert  über 30 Jahre nach der tragisch gescheiterten Flucht kein Totenschein zur Person Volker Swades.

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Biografie von Volker Swade, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/281-volker-swade/, Letzter Zugriff: 21.11.2024