Eberhard Günter Melichar kam als Sohn des Pförtners Willy Melichar und seiner Frau Charlotte in der Kleinstadt Olbernhau im sächsischen Kreis Marienberg auf die Welt. Er wuchs in der Nachbargemeinde Heidersdorf im Erzgebirge auf, bevor 1958 er mit seinen Eltern und seiner Schwester nach Karl-Marx-Stadt umzog. Hier besuchte er von 1960 bis 1968 bis zu 8. Klasse die Oberschule Bernsdorf 2. In seiner Schulzeit gehörte er zunächst der Pionierorganisation und dann der FDJ, sowie dem Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB), der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) und dem Deutschen Angler-Verband (DAV) der DDR an. Vom 1. September 1968 bis zum 31. August 1971 erlernte Melichar an der Fischereischule in Königswartha, Bezirk Bautzen, den Beruf eines Binnenfischers. In einem Brief seines Vaters heißt es: „Mein Sohn zeigt keinerlei Interesse für einen Fabrikberuf. Er will raus in die Natur und an die Luft.“ Eberhard Melichar schloss seine Ausbildung 1971 mit der Gesamtnote „sehr gut“ ab. Anschließend war er bis 1974 in dem VEB Binnenfischerei Wernsdorf im Betriebsteil Warmwasseranlagen Bitterfeld beschäftigt. Zuletzt wohnte er in der Glück-Auf-Straße 10 in Bitterfeld im Bezirk Halle, behielt aber den Hauptwohnsitz bei seinen Eltern in der Fabricius-Straße 4 in Karl-Marx-Stadt.
Eberhard Melichar geriet in das Blickfeld des Ministeriums für Staatssicherheit, weil er im Mai 1974 in die ČSSR einreiste und die Grenzkontrolleure in Bad Schandau bei ihm 800 Platzpatronen entdeckten und beschlagnahmten. Die DDR-Kontrolleinheit Bad Schandau informierte darüber am 8. Mai die für Auslandreisen- und Touristenkontrolle zuständige Hauptabteilung VI der MfS-Bezirksverwaltung Halle. Während deren Nachprüfungen noch andauerten, reiste Eberhard Melichar, wie er seinen Eltern und seiner Schwester mitteilte, mit seinem Jawa-Motorrad zum Sommerurlaub nach Bulgarien. Dortige Sicherheitsbehörden registrierten angeblich seine Einreise am 10. August 1974 über den Grenzübergang Russe. Melichars Schwester erhielt Eberhard Melichar geriet in das Blickfeld des Ministeriums für Staatssicherheit, weil er im Mai 1974 in die ČSSR einreiste und die Grenzkontrolleure in Bad Schandau bei ihm 800 Platzpatronen entdeckten und beschlagnahmten. Die DDR-Kontrolleinheit Bad Schandau informierte darüber am 8. Mai die für Auslandreisen- und Touristenkontrolle zuständige Hauptabteilung VI der MfS-Bezirksverwaltung Halle. Während deren Nachprüfungen noch andauerten, reiste Eberhard Melichar, wie er seinen Eltern und seiner Schwester mitteilte, mit seinem Jawa-Motorrad zum Sommerurlaub in die Volksrepublik Bulgarien. Dortige Sicherheitsbehörden registrierten angeblich seine Einreise an 10. August 1974 über den Grenzübergang Russe. Seine Schwester erhielt allerdings von ihm eine Postkarte aus dem ungarischen Urlaubsgebiet am Plattensee, die Ende August abgeschickt worden war.
Jedenfalls geht aus bulgarischen Dokumenten hervor, dass am 3. September 1973 etwa um 0:30 Uhr eine Grenzsignalanlage der bulgarischen Grenztruppen bei deren Einheit „Snaiper“ Alarm auslöste. Daraufhin entsandte die dortige Wache, die sich etwa drei Kilometer südwestlich des Dorfes Kalotina nahe der jugoslawischen Grenze befand, den Gefreite Wasil Nedjalkow Wasilew und die Soldaten Metodi Jordanow Metodiew und Iwan Krumow Dimitrow als Alarmgruppe dorthin. Sie sollte „die Grenze im Bereich des ersten und zweiten Abschnitts, südlich der Hauptstraße Richtung Belgrad” abriegeln. Nach knapp einer halben Stunde entdeckte die Alarmgruppe etwa 300 Metern von der Grenzpyramide 263 entfernt die Umrisse einer Gestalt, die nicht auf den Warnruf „Halt, ich schieße!“ und Warnschüsse reagierte. Da die Person im nächtlichen Wald zu verschwinden dohte, begannen Wasilew und Dimitrow mit ihren Maschinengewehren „in die Richtung zu schießen, in die der Unbekannte geflüchtet war”. Sie hörten einen Schrei und fanden „nach dem Absuchen des Gebiets der Grenzverletzung” die Leiche eines jungen Mannes. Sie lag im Wald westlich des Dorfes Dolno Novo Selo, etwa 1 km südlich des Grenzübergangs Kalotina weniger als drei Meter von der Signalanlage und etwa zwei Meter vom Grenzdrahtzaun entfernt kurz vor jugoslawischem Staatsgebiet.
Bei der „Tatortbesichtigung“, die am Morgen von 10:30 bis 12:30 Uhr unter Leitung von Major Petyr Delčev als Untersuchungsführer der Militärstaatsanwaltschaft des Bezirks Sofia stattfand, wurden Beweisfotos aufgenommen. Dann erfolgte die Autopsie des Leichnams durch den Gerichtsmediziner des Militärmedzinischen Instituts Sofia Dr. Dimiter Simeonov Dimitrov. Er stellte dabei sieben Schusstreffer am ganzen Körper des Toten fest. Das tödliche Geschoss traf Eberhard Melichar durch den Rücken ins Herz. Der Tod sei sofort „durch Zerschlagung des aufsteigenden Teils der Aorta und die Verletzung der Lunge“ mit starkem Blutverlust eingetreten. Der Stabsleiter der bulgarischen Grenztruppen, Oberst Iliev, behauptete später in einer „Stellungnahme der Untersuchungskommission”, die Alarmgruppe habe korrekt und vorschriftsmäßig gehandelt.
Unmittelbar nach der Obduktion entschieden die bulgarischen Untersuchungsführer, Melichars Leiche „nicht an die Behörden der DDR zu übergeben, sondern in der VRB zu begraben.“ Das geschah noch am selben Tag „um 13:00 Uhr Ortszeit“ in Anwesenheit von Oberstleutnant Stojan Stojanov Sacharev, zweier Zeugen – Nikola B. und Stepan V. – sowie von zwei weiteren Angehörigen „der Untersuchungsabteilung der bulgarischen Staatssicherheit“. Sacharev und die beiden Zeugen unterschrieben noch am 3. September 1974 in der Stadt Slivnica im Bezirk Sofia ein “Protokoll über den Umstand der Beerdigung eines liquidierten Grenzverletzers” Die genaue Örtlichkeit der Beisetzung ist in dem Dokument nicht vermerkt.
Über die Todesumstände und die „Beerdigung des Melichar […] entsprechend der bulgarischen Gesetzgebung sofort am Ort“ erfuhr das MfS bereits am 4. September 1974. Bulgariens Behörden hatten die DDR-Botschaft in Sofia und das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) der DDR, Hauptabteilung Konsularische Angelegenheiten, darüber unterrichtet. MfAA-Hauptabteilungeleiter August Klobes teilte der Abteilung Innere Angelegenheiten beim Rat des Kreises Bitterfeld mit, Eberhard Melichar sei am 3. September 1974 „bei der strafbaren Handlung, die DDR ungesetzlich über die VRB zu verlassen, beim Versuch eines gewaltsamen Grenzdurchbruchs zur SFRJ, erschossen“ worden. Da sein Leichnam mach bulgarischer Praxis bereits beigesetzt worden sei, könne nach dortigen Bestimmungen eine Exhumierung und Überführung in die DDR frühesten nach sechs bis sieben Jahren beantragt werden. Noch am gleichen Tag informierte der Rat des Kreises Bitterfeld telegrafisch den Rat des Bezirks Karl-Marx-Stadt über den Todesfall, da sich dort Melichars Hauptwohnsitz befand. Seine Eltern Willi und Charlotte Melichar sollte mitgeteilt werden, ihr Sohn sei in Bulgarien „tödlich verletzt“ worden. Die Eltern veröffentlichten eine Todesanzeige, in der es hieß, Eberhard Melichar sei „durch tragischen Unfall bei seinem Bulgarienurlaub“ ums Leben gekommen. Die tatsächlichen Todesumstände durften sie in der Anzeige nicht erwähnen.
Nachdem die Eltern auf einer Umbetung der sterblichen Überreste ihres Sohnes in die DDR bestanden, schaltete sich der Staatssicherheitsdienst ein. Das DDR-Außenministerium erhielt am 30. Oktober 1974 einen Anruf aus der MfS-Hauptabteilung IX/9. Peter Pfütze, Leiter der Arbeitsgruppe Untersuchungsaufgaben im sozialistischen Ausland teilte mit, Melichar sei an Ort und Stelle „ohne jegliche Kennzeichnung der Grabstätte“ auf Anweisung des Bürgermeisters der nächstgelegenen Ortschaft beigesetzt worden. Pfütze bat darum, über DDR-Konsul Günter Nietner, „Einfluß geltend zu machen, daß […] Melichar eine Grabstätte entweder in Sofia oder in dem betr. Bezirk erhalte […], damit Angehörige Grabstätte besuchen können.“ Der MfS-Mann bat darum, dass Konsul Nietner bis spätestens 5. November bei den zuständigen bulgarischen Stellen interveniere, da er selbst nach Bulgarien komme und dort über diese Angelegenheit verhandeln wolle. Die Kosten der Grabstätte müsse das DDR-Außenministerium übernehmen.
Doch als Konsul Nietner am 12. November 1974 bei einem Gespräch in Bulgariens Justizministerium ersuchte, getötete DDR-Flüchtlingen künftig auf öffentliche Friedhöfe zu bestatten, erwiderte ihm der Stellvertreter des Generalstaatsanwalts Bulgariens, Militärstaatsanwalt General Dimitar Kapitanov, „daß es unzumutbar ist, unmittelbar neben friedlichen Bürgern Verbrecher zu beerdigen“. Bulgarien sei überhaupt „nicht an Besuchen oder etwaigen Demonstrationen an diesen Gräbern interessiert“. Man sei aber, wenn der Wunsch besteht, sterbliche Überreste umzubetten, „entsprechend dem Rechtshilfeabkommen“ zu Kompromissen bereit.
Ursula Gott, Hauptreferentin in der HA Konsularwesen des MfAA, notierte am 13. November 1974, dass sich die Angehörigen des Toten an den Staatsrat der DDR gewandt hätten, aber von dort keine Antwort erfolgt sei. Der Leiter der Innenabteilung beim Rat des Bezirks Karl-Marx-Stadt fragte am 14. November 1974 beim Leiter der Konsular-Hauptabteilung im Außenministerium, August Klobes, nach der Sterbeurkunde und dem Nachlass Eberhard Melichars. Dessen Vater Willy Melichar sei vorstellig geworden und habe diese eingefordert. Bislang habe jedoch beim Standesamt I von Groß-Berlin noch keine Todesmitteilung vorgelegen. Am 6. Dezember 1974 informierte MfS-Hauptmann Werner Ullmann, der im Referat 3 des Bereichs Koordinierung als Hauptsachbearbeiter für die Überprüfungen von Festnahmen im sozialistischen Ausland zuständig war, telefonisch das MfAA Melichars Motorrad sei bei Kalotina aufgefunden worden. Im bulgarischen Untersuchungsprotokoll seien seine persönlichen Gegenstände aufgelistet aber noch nicht übersandt worden.
Am 4. Dezember 1974 bat DDR-Botschafter Werner Wenning schriftlich um ein Gespräch mit Bulgariens Generalstaatsanwalt Vačkov. Das kam am 25. Februar 1975 in Anwesenheit von Militärstaatsanwalt Dimitar Kapitanov und DDR-Konsul Günter Nietner zustande. Nach dieser Beratung schrieb Botschafter Wenning dem Chef der HA Konsular im DDR-Außenministerium, August Klobes, dass gemäß Absprache mit der bulgarischen Seite bei ähnlichen Todesfällen fortan eine sofortige Information der Volksrepublik Bulgarien an die Botschaft der DDR erfolgt und ein Vertreter der Botschaft an den Ermittlungen der bulgarischen Seite beteiligt werde. „Die Grenzorgane unternehmen künftig keinerlei Maßnahmen in diesen Fällen. Nach Abschluß der Untersuchungen kann entsprechend dem Wunsch der Vertretung und unter Beachtung der hygienischen Bestimmungen der Leichnam entweder überführt, oder auf einem öffentlichen Friedhof beigesetzt werden.“ DDR-Botschafter Wenning ersuchte um eine Überführung der sterblichen Überreste Melichars aus dem Grenzgebiet auf einen öffentlichen Friedhof, „da wir an einem Besuch des Grabes im Grenzgebiet nicht interessiert sind“. Nach Recherchen der bulgarischen Journalisten Stoyan Raichevsky und Fanna Kolarova soll Melichars Leichnam zu einem nicht bekannten Zeitpunkt auf den Friedhof Bakarena Fabrika in Sofia überführt worden sein.
Die Ausstellung einer amtlichen Sterbeurkunde für Eberhard Melichars zog sich in der DDR lange hin. Am 17. April 1975 teilte MfS-Hauptmann Werner Ullmann dem MfAA mit, Melichars nachgelassene Gegenstände (insgesamt 54 Positionen) seien nun der MfS-Bezirksverwaltung Karl-Marx-Stadt übergeben worden. Die Übergabe des Motorrads werde noch geprüft. Ursula Gott notierte 5. September 1975, Melichars Sterbeurkunde sei durch eine Note der Botschaft der DDR in Bulgarien nochmals angemahnt worden. Telefonisch beschwerte sie sich am 28. Oktober 1975 bei DDR-Konsul Kurt Spörl in Sofia, dass die bulgarische Sterbeurkunde noch immer nicht vorläge. Ohne diese könnten die Angehörigen nicht die erforderlichen Schritte unternehmen. Konsul Spörl sagte zu, sich erneut um Melichars Sterbeurkunde zu bemühen. „Er wies nochmals auf die Schwierigkeiten hin, die auch bei Beschaffung solcher Sterbeurkunden bei den bulgarischen Stellen bestehen“.
Schließlich erhielt die DDR-Botschaft in Sofia von der bulgarischen Militärstaatsanwaltschaft eine durch den Volksrats der Gemeinde Kalotina am 22. März 1976 ausgestellte Sterbeurkunde für Eberhard Melichar. Sie war von dem Verantwortlichen für das Personenstandswesen Kiril Davidkov Kolev unterzeichnet, der als Vorsitzender des Dorfrats bereits 1974 an der „Tatortbesichtigung“ beteiligt war. Die Sterbeurkunde bestätigte die damals diagnostizierte Todesursache und als Todeszeitpunkt den 3. September 1974 um 01:15 Uhr. Als Todesort war nun jedoch die Gegend „Liwadite“ bei Kalotina eingetragen. DDR-Konsul Kurt Spörl schickte diese Sterbeurkunds erst am 14. April 1976 nach Ost-Berlin. Wie sich herausstellte, hatte er sie vermutlich aus Schlamperei nicht weitergeleitet. Die zuständige MfAA-Mitarbeiterin Ursula Gott sandte das Dokument am 25. Mai 1976 an die Sachbearbeiterin Frau Weiß im Berliner Standesamt I und wies sie an: “Wie auch bei anderen ähnlich gelagerten Fällen sollte auch hier eine Neubeurkundung durch das Standesamt I vorgenommen werden.” In der Neubeurkundung des Standesamts I findet sich kein Hinweis auf Melichars Todesursache.