Unweit des Grenzgebietes nahe Benneckenstein stieß ein gemeinsamer Fahndungstrupp des Grenzregiments Halberstadt und der Volkspolizei in einem Wäldchen auf den gesuchten sowjetischen Deserteur Nikolai Gal. Auf ihn wurden zwei Feuerstöße abgegeben, die ihn tödlich verletzten.
Die Dienststellen der Volkspolizei in Wernigerode/Magdeburg, Halberstadt/Magdeburg und Nordhausen/Erfurt erhielten am 25. Januar 1984 kurz nach 5 Uhr die Anordnung, Eilfahndung der Stufe I nach zwei sowjetischen Soldaten auszulösen. Die Gesuchten seien gegen 3.20 Uhr aus der Kaserne ihrer Einheit im Kreis Quedlinburg/Halle geflüchtet, einer von ihnen unter Mitnahme seiner Maschinenpistole. Gegen 4.25 Uhr hielten die beiden Soldaten, von denen einer bewaffnet war, auf der Fernverkehrsstraße 6 zwischen Westerhausen und Blankenburg einen Traktor mit zwei Anhängern an. Den Traktorfahrer Klaus E. zwangen sie mit vorgehaltener Waffe, in Richtung Blankenburg zu fahren. Bei der Kreuzung Börnecke/Melsunger Krug wurde er durch „Stoi“ zum Anhalten aufgefordert. Er musste dann seinen Hänger abkoppeln. Als er versuchte, nach der Waffe zu greifen, gab der Soldat einen Schuss ab. Dann seien die beiden Soldaten mit dem Traktor in Richtung Blankenburg weitergefahren. Dort müssen sie sich getrennt haben, denn für die folgende Zeit ist in den Volkspolizeimeldungen nur noch von einem Deserteur die Rede. Um 5.30 Uhr stoppte der bewaffnete Soldat an der Kreuzung Almsfeld den Linienbus Blankenburg–Stiege und zwang den Fahrer mit vorgehaltener Waffe, in Richtung Grenze zu fahren. In der Nähe des ersten Kontrollpunktes stieg er aus und bewegte sich durch den Wald in Richtung Rappenberg.
Durch den Busfahrer erhielt ein zur Fahndung eingesetzter Volkspolizist Hinweise über den Fluchtweg des Deserteurs. Wenig später ordnete Hauptmann Lorenz, Kompaniechef der 9. Grenzkompanie des Grenzregiments Halberstadt, die Bildung einer Suchgruppe an, die der Spur des sowjetischen Deserteurs durch den Wald folgen sollten. Die Gruppe bestand aus Oberleutnant J., Oberleutnant D., Unterleutnant P., Stabsfeldwebel K., Oberfeldwebel S., Hauptfeldwebel D. sowie drei Volkspolizisten. Gegen 8.20 Uhr stand die Fahndungsgruppe plötzlich dem gesuchten Soldaten gegenüber. Es handelte sich um den 20-jährigen Ukrainer Nikolai Ludwigowitsch Gal, der in Ditfurt-Quarmbeck, Kreis Quedlinburg, bei der Funküberwachung eingesetzt war. Als der Suchtrupp auf ihn zukam, brachte Gal seine Waffe in Anschlag, woraufhin Hauptfeldwebel Lothar D. zwei Feuerstöße mit insgesamt 13 Schuss abgab, die Nikolai Gal tödlich verletzten.
Um 20.30 Uhr informierte das Magdeburger MfS Minister Mielke, Generaloberst Markus Wolf, Generalleutnant Rudi Mittig, Generalleutnant Gerhard Neiber, Generalleutnant Otto Geisler und mehrere Stasi-Dienststellen von dem Zwischenfall. In diesem Bericht hieß es, vor dem Schusswechsel sei der Fahnenflüchtige in russischer Sprache zum Erheben der Hände aufgefordert worden. Diese Darstellung findet sich allerdings sonst in keiner der vorliegenden Meldungen über das Geschehen vor Ort. Beim Kommando der Grenztruppen befürchtete man, „in Folge Anwendung der Schußwaffe“ sei „zu erwarten, daß durch labile und den Grenztruppen feindlich gesinnte Bürger, besonders aus der Stadt Benneckenstein, Stimmungen gegen die Grenztruppen verbreitet werden“.
Die ZDF-Dokumentation “Tödliche Grenze” enthält nachgestellte Szenen und Zeitzeugenaussagen zu den Todesfällen von Heiko Runge und Nikolai Gal (im Beitrag Position 36:03).