Der in Niederschlesien geborene Siegfried Biesel lebte nach der Vertreibung mit seinen Angehörigen in Westdeutschland. Er verdiente sich seit 1949 seinen Lebensunterhalt als Knecht auf einem Bauernhof. Bei einem Verwandtenbesuch in der DDR lernte er die Witwe eines Heldburger Bauern kennen. Er heiratete sie und kam 1959 in die DDR. Sie besaß einen Hof und zehn Hektar Ackerland, das die Eheleute gemeinsam bestellten. Siegfried Biesel litt während seiner Kindheit an einer Hirnhautentzündung, deren Nachwirkungen eine psychiatrische Behandlung erforderlich machten. Nachdem er im Sommer 1967 in Grenznähe herumirrend aufgegriffen wurde, unterzog er sich von August bis November 1967 einer stationären Behandlung in der Landesnervenklinik Hildburghausen. Danach besserte sich sein Zustand, und die Ärzte setzten bald die Behandlung mit Psychopharmaka ab. Nach dem Weihnachtsfest 1975 nahmen Angehörige jedoch wahr, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechterte und er häufig unverständliche Selbstgespräche führte.
Am 14. März 1976, einem Sonntag, verließ Siegfried Biesel mehrfach den Bauernhof und streifte in der Umgebung umher. Um 14.30 Uhr kehrte er zurück, weil ihn seine Schuhe drückten. Er zog seine hohen Winterschuhe an und verließ erneut das Haus. Danach soll er sich nach späteren Ermittlungsergebnissen des Staatssicherheitsdienstes gegen 16.30 Uhr im „Schutzstreifen an der Staatsgrenze im Raum Holzhausen im offenen Gelände in normaler Schrittgeschwindigkeit aufrecht gehend auf die Grenzsicherungsanlagen“ zu bewegt haben. Nach der Entdeckung durch Grenzposten setzten diese eine Meldung über das Grenzmeldenetz zum Führungsbunker ab und schnitten ihm den Weg in Richtung Grenze ab. Nachdem Biesel das Postenpaar bemerkt hatte, bewegte er sich zunächst parallel zur Grenze, änderte dann seine Richtung und lief ins Hinterland. Auf dem Rückweg riefen ihn die Grenzsoldaten an und forderten ihn auf, sofort stehenzubleiben und die Hände zu heben. Nach Aussagen der beiden Grenzposten sei er dem zunächst nachgekommen, habe die Hände dann jedoch wieder heruntergenommen, sich umgedreht und sei weitergegangen. Daraufhin gab ein Grenzer zwei Schüsse in die Luft ab. Siegfried Biesel soll sich daraufhin erneut umgedreht haben und dann weitergelaufen sein. Weitere Warnschüsse schlugen ein bis zwei Meter vor Biesel ins Erdreich ein. Als die beiden Grenzer Biesel erreichten und überholt hatten, blieb dieser trotz Aufforderung nicht stehen, sondern drohte den Soldaten Ärger mit der Staatsgewalt an, denn er sei Widerstandskämpfer gewesen. Nachdem der Posten Klaus S. ihn mit dem Gewehrkolben geschlagen hatte, rannte Biesel weiter in Richtung Hinterland, woraufhin Postenführer Klaus H. dem Posten befahl, einen gezielten Feuerstoß auf die Beine des Flüchtenden abzugeben. Biesel wurde von einem Geschoss 15 Zentimeter oberhalb des Knies in den Oberschenkel getroffen und stürzte zu Boden.
Was dann geschah, schilderte der Posten Klaus S. in seiner Zeugenaussage am Abend des 14. März 1976 gegenüber der Staatssicherheit folgendermaßen: „Der Postenführer drehte die Person vom Rücken auf die linke Seite. Er forderte diese auf, den rechten Arm auszustrecken und wies mich an, auf die Hand des Mannes meinen Fuß zu stellen, um seine Handlungsfreiheit einzuschränken, falls er den Postenführer angreifen sollte.“ Der Postenführer habe dann den Verletzten untersucht und seine Hose über der blutenden Verletzung mit dem Seitengewehr aufgeschnitten. „Die unter der Hose befindliche Unterhose, es war eine weiße Unterhose, war stark verblutet. Der Postenführer riß die Unterhose bis zur Wunde ab, formte aus ihr ein Päckchen, das er auf die Wunde legte. Dann löste er von seiner MPi den Tragriemen und schnürte die stark blutende Verletzung ab.“ Siegfried Biesel lag nun auf dem Bauch während Klaus S. mit dem Fuß auf seiner Hand stand und ihn mit dem Kolben seiner MPi auf den Boden niederdrückte. Postenführer Klaus H. erstattete danach von einem nahe gelegenen Feldtelefon Meldung. Nach etwa einer halben Stunde erschienen drei Fahrzeuge der Grenztruppen am Ereignisort. In einem befand sich der Stabschef des Bataillons, Major Baiersdorf. Er befahl, „die Fahrzeuge in Deckung zu fahren, da auf der BRD-Seite Personenbewegung festzustellen war“. Der Verletzte wurde auf eine Decke gerollt und zu dem außer Sichtweite wartenden Geländewagen des Stabschefs getragen. Während des Abtransports ragten die Beine des Verletzten etwa 20 Zentimeter aus der Hintertür des Fahrzeugs heraus. Laut der Aussage von Klaus S. begann die Wunde nun wieder stark zu bluten. Der Verletzte wurde wenig später in das Kreiskrankenhaus Hildburghausen eingeliefert. Am folgenden Tag meldeten unter anderem die Frankfurter Allgemeine Zeitung, der Tagesspiegel und die Berliner Morgenpost den Zwischenfall an der innerdeutschen Grenze.
Eine in den MfS-Unterlagen enthaltene „Einschätzung des Bürgers Siegfried Biesel“ durch den Rat der Stadt Heldburg fiel ausgesprochen positiv aus. Er habe sich „trotz seiner schweren Krankheit seit längerer Zeit kein Fehlverhalten zuschulden kommen lassen“, gehe pünktlich zur Arbeit und führe diese auch ordentlich aus. Allerdings sei er am 10. März bei einer Wohnbezirksversammlung „durch laute und unsachliche Diskussionen“ aufgefallen und habe auf dem Heimweg verwirrte Äußerungen von sich gegeben. Er habe stets den Drang gehabt, „die Felder zu besichtigen, an denen er mitgearbeitet hat“. So sei anzunehmen, „daß auf Grund seines gegenwärtigen Krankheitszustandes die Reaktion zur Besichtigung der Felder in Holzhausen ausgelöst wurde“. Auch in den Untersuchungsakten des MfS ist nicht von einem Fluchtversuch die Rede.
Eine infolge der unsachgemäßen Erstversorgung eingetretene schwere Infektion der Schusswunde zog eine Blutvergiftung sowie eine Lungenentzündung nach sich, die zu seinem Tod führte. Siegfried Biesel starb am 23. März 1976 um 10.45 Uhr an den Folgen der Schussverletzung im Kreiskrankenhaus Hildburghausen. Das MfS bemühte sich, die Todesursache zu verschleiern: „Auf operativem Wege wurde versucht, dahingehend Einfluß zu nehmen, daß der leichenbeschauende Arzt auf den Totenschein unter beitragender Erkrankung allgemein Oberschenkelfraktur einträgt und die Unfallursache offen läßt.“ Doch der Mediziner „erklärte sich nur im Falle einer dienstlichen Weisung zu einer solchen Veränderung bereit. Eine derartige Weisung wurde vom Kreisarzt nicht erteilt.“ Die Kreisdienststelle Hildburghausen des MfS leitete „operative Maßnahmen zur Absicherung der Bestattung“ ein. Wenige Stunden nach der Einlieferung Siegfried Biesels in das Kreiskrankenhaus Hildburghausen hatte der Staatsanwalt des Bezirkes Suhl einen Haftbefehl gegen den Verletzten erwirkt. Sieben Tage nach seinem Tod hob das Kreisgericht des Stadt- und Landkreises Suhl den Haftbefehl auf, „weil die Gründe, die zu seinem Erlaß führten, weggefallen sind“.
Die Staatsanwaltschaft Erfurt stellte 1996 das nach der Wiedervereinigung eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen die beiden ehemaligen DDR-Grenzsoldaten Klaus S. und Klaus H. ein. Zwar hätten die Beschuldigten Angeklagten den Tod Biesels verursacht, eine vorsätzliche Tötung könne ihnen jedoch nicht nachgewiesen werden. Die von den Beschuldigten begangene Körperverletzung sei gemäß der damals gültigen Schusswaffengebrauchsbestimmung erfolgt.