Die Mutter von Hans-Dieter Heinrich Genau wollte nicht, dass ihr Sohn an der Jugendweihe teilnimmt. Die Alleinerziehende wurde von ihrem damaligen Chef und der Schule ihres Sohnes jedoch dazu gedrängt. Im Anschluss an die unerwünschten staatlichen Feierlichkeiten ließ sich der Jugendliche allerdings auch noch konfirmieren. Er spielte im Posaunenchor der Kirche.
Am 24. August 1969 besuchte Hans-Dieter Genau seinen Freund Harald S. Zusammen sahen sie fern, besuchten danach die Lokale „Stern“ und „Kapp“ in Treffurt und tranken in geselliger Runde. Dann steckten sie die Köpfe zusammen und sprachen über ihren Plan, in den Westen zu flüchten. Sie kannten sich seit der 8. Klasse. Harald S. absolvierte eine Lehre, während Hans-Dieter Genau vor dem Abitur stand. Die beiden Freunde waren sowohl mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR als auch mit der persönlichen Situation in ihren Familien unzufrieden. Immer wieder hatten sie mögliche Fluchtwege ausgekundschaftet. Des Öfteren hatten sie Grenzsoldaten bei ihrer Ablösung beobachtet und schließlich beschlossen, durch die Werra zu schwimmen. Bei einem Onkel von Hans-Dieter Genau in Hessen wollten sie nach ihrer Flucht zunächst unterkommen, um ein neues Leben in der Bundesrepublik zu beginnen.
Der Flusslauf der Werra war nicht durch Sperren gesichert. So schien es ein Leichtes, in Fließrichtung der Werra über die innerdeutsche Grenze zu schwimmen. Nach dem Gaststättenbesuch am 24. August 1969 brachen sie mit einem weiteren Freund in Richtung Grenze auf. Zunächst gingen sie über die Werrabrücke in Richtung des nahe gelegenen Schwimmbades. Das war unauffällig, weil man bis zum Schwimmbad spazieren konnte. Dort legten sie einen Teil ihrer Kleidung ab und schlichen die Böschung hinunter. Sie näherten sich – zeitweise schwimmend, teils neben der Werra herlaufend – den Grenzanlagen. Einer der drei Jugendlichen verlor den Mut und kehrte um. Er versuchte seine Freunde zu überreden, ebenfalls aufzugeben, doch die ließen sich von ihrem Plan nicht abbringen. Nachdem sie etwa 400 bis 500 Meter mit der Strömung geschwommen waren und das Bundesgebiet bereits in Sicht war, wurden sie von DDR-Grenzwachen bemerkt. Von einem hölzernen Beobachtungsturm an der Werra richteten sie grelles Scheinwerferlicht auf die Schwimmer. Hans-Dieter Genau schwamm etwa vier bis fünf Meter vor seinem Freund. Die lauten Rufe der Grenzer waren im Wasser nicht zu verstehen. Als gezielte Schüsse und mehrere Feuerstöße aus Maschinenpistolen neben ihnen einschlugen, tauchten beide sofort unter. Doch eine Kugel traf Hans-Dieter Genau in den Kopf. Sein Freund wurde durch einen Streifschuss verletzt und erlitt einen Schock. Eine weitere Kugel der Grenzposten schlug in ein westdeutsches Wohnhaus am Ortsrand von Heldra ein.
Erst nach einer umfangreichen Suchaktion der DDR-Grenztruppen konnte der verletzte Harald S. am Morgen des 25. August 1969 am Ufer gefunden und ins Krankenhaus gebracht werden. Die Leiche des 18-jährigen Hans-Dieter Genau entdeckte man erst eine Woche später, am 31. August 1969, in einem Werrawehr nahe dem hessischen Wanfried. Nach der Obduktion im hessischen Marburg erfolgte die Überführung des Leichnams am 3. September 1969 über den Grenzübergang Wartha. Der Tagesspiegel meldete zwei Tage später: „Der 18-jährige Hans-Dieter Genau aus Treffurt in der ‚DDR‘, dessen Leiche am Sonntag von Kriminalbeamten aus der Werra gezogen worden war, ist nach einem jetzt veröffentlichten Obduktionsbefund des gerichtsmedizinischen Instituts in Marburg erschossen worden. Der junge Mann hatte eine Woche zuvor mit einem Freund bei Eschwege in die Bundesrepublik zu flüchten versucht.“ Harald S. wurde wegen „Republikflucht“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und erhielt eine Aufenthaltsbeschränkung für alle Grenzsperrgebiete auf unbegrenzte Dauer. Neun Monate später wurde er auf Bewährung entlassen. Bei einer Hausdurchsuchung war seine englischsprachige Korrespondenz mit japanischen Schülern beschlagnahmt worden. Seinem Vater drohte aufgrund des Vorfalls die Entlassung aus dem Dienst der Volkspolizei.
Die Angehörigen von Hans-Dieter Genau erhielten keine Gelegenheit, den Toten noch einmal zu sehen. Nach der Überführung des Leichnams musste die Mutter sich mit der Einäscherung und sofortigen Beisetzung einverstanden erklären. Die Bestattung wurde auf einen Wochentag am Vormittag gelegt, damit die Teilnehmerzahl von vornherein begrenzt werden konnte. In Treffurt verbreiteten DDR-Instanzen, Hans-Dieter Genau sei ertrunken. Die Schüsse und die schwere Kopfverletzung verschwieg man.
Die Schützen, die zum Zeitpunkt des Unglücks selbst nicht älter waren als der Getötete, wurden 1998 zu Jugendstrafen von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.