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Biografisches Handbuch

Irmgard Stark

geboren am 26. März 1928 in Herrenbreitungen | erschossen am 16. März 1950 | Ort des Vorfalls: Blockhaus Mäusewand bei Dorndorf (Thüringen)
BildunterschriftIrmgard Stark
BildquellePrivat; Georg Joachim Schilling-Werra
Quelle: Privat; Georg Joachim Schilling-Werra
Im Grenzgebiet bei Dorndorf verletzte der Schuss eines DDR-Grenzpolizisten die 21-jährige Irmgard Stark tödlich. Der genaue Ablauf des Zwischenfalls bleibt bis heute ungeklärt.

Irmgard Wilhelmine Schilling kam am 26. März 1928 in Herrenbreitungen (Landkreis Schmalkalden-Meiningen) zur Welt. Sie heiratete am 1. Oktober 1949 den Werkzeugschlosser Fred Stark und zog nach Schmalkalden. Gemeinsam hatten sie einen Sohn.

In der Nacht vom 16. auf den 17. März 1950 schlossen sich die 21-jährige Irmgard Stark und ihr Ehemann einer Gruppe von Grenzgängern an, um in den Westen zu flüchten. In der Nähe von Dorndorf (Krayenberggemeinde) entdeckte eine Streife der Grenzpolizei Oberzella gegen 22.30 Uhr die Grenzgänger. Laut einem Bericht der Hauptverwaltung der Deutschen Volkspolizei machten die beiden Grenzposten Wachtmeister Manfred K. und Herbert B. „entgegen der Instruktion, ohne einen Warnschuß abzugeben, sofort von der Schußwaffe Gebrauch“. Irmgard Stark erlitt einen tödlichen Lungendurchschuss. Sie erlag noch an Ort und Stelle den Folgen dieser Verletzung. Ein weiterer Schuss verletzte den 29-jährigen Herbert K. aus Hessen schwer. Nachdem am 17. März gegen 3 Uhr morgens eine Spezialkommission der Volkspolizei Meiningen die Ermittlungen aufgenommen hatte, kam es zur vorläufigen Festnahme der beiden beteiligten Grenzpolizisten wegen des Verdachts der Fahrlässigkeit. Das Ermittlungsergebnis ist nicht überliefert.

Irmgard Starks Ehemann hielt das Geschehen zwei Wochen später in einem Gedächtnisprotokoll fest. In der Nähe des Blockhauses Mäusewand bei Dorndorf seien sofort nach ihrer Entdeckung durch die Grenzpolizisten mehrere Schüsse gefallen.„Meine Frau Irmgard, die neben mir an einem kleinen Abhang Schutz gesucht hatte, wurde von einer Kugel in den Rücken getroffen. Sie schrie auf, und im nächsten Augenblick standen 2 DDR-Grenzsoldaten vor uns, die ihre Gewehre und Taschenlampen auf uns gerichtet hielten.“ Fred Stark riss sein Hemd in Streifen, um die Verletzung zu verbinden, doch ein Grenzpolizist drängte ihn zur Seite. „Ich konnte meiner Frau, die weinend und stöhnend immer wieder meinen Namen rief, nicht mehr helfen.“ Die beiden Grenzpolizisten hätten tatenlos den Tod von Irmgard Stark abgewartet und Fred Stark anschließend zur Vernehmung in eine Grenzstation bei Dorndorf geführt. Die Leiche seiner Frau brachten Grenzpolizisten in das örtliche Spritzenhaus der Feuerwehr. Ihre Beisetzung fand am 21. März 1950 in Schmalkalden statt. In der Traueranzeige, die in der Zeitung Thüringer Volk am 20. März erschien, teilen die Familienmitglieder mit: „Durch tragisches Schicksal wurde am 16.3.1950 meine über alles geliebte Frau, die herzensgute Mutti ihres einzigen Söhnchens, unsere liebe Tochter, meine einzige Schwester, unsere liebe Schwiegertochter u. Schwägerin Frau Irmgard Stark geb. Schilling kurz vor ihrem 22. Geburtstag jäh aus dem Leben gerissen.“

Irmgard Starks Bruder, Georg J. Schilling-Werra, hatte den Namen des vermeintlichen Schützen Manfred K. in Dorndorf in Erfahrung gebracht. Nach seiner Flucht in die Bundesrepublik meldete er 1984 den Vorfall der Zentralen Erfassungsstelle in Salzgitter. Im August 1990 nahm die Staatsanwaltschaft Suhl Ermittlungen gegen Manfred K. auf. Bei seiner Vernehmung im Februar 1991 erinnerte sich Manfred K., dass er und ein weiterer Posten am 16. März 1950 bei der Festnahme einer Gruppe von Grenzgängern je einen Warnschuss abgegeben hätten. Es handelte sich um etwa 20 Personen, die nach Lebensmitteleinkäufen im Westen gegen Mitternacht nach Thüringen zurückkehren wollten. Einer der Grenzgänger habe seine Frau vermisst. Als man sie nach kurzer Suche fand, war sie bereits tot. Ihr Oberkörper war blutdurchtränkt. „Es hob auch noch jemand den Arm der Frau an, der jedoch gleich wieder zum Körper förmlich zurückfiel.“ Manfred K. führte die Verletzung von Irmgard Stark auf einen Querschläger zurück. Eine Kugel müsse durch einen Baum abgefälscht worden sein.

Die Staatsanwaltschaft Suhl stellte die Ermittlungen gegen Manfred K. im April 1991 wieder ein. Die Urheberschaft des tödlichen Schusses sei nicht zu ermitteln. Ebenfalls blieben der zweite Posten und der Verbleib der damaligen Untersuchungsakten ungeklärt. Darüber hinaus sah der Staatsanwalt keinen Grund, eine Unterbrechung der Verjährungszeit für Mord oder Totschlag anzuerkennen, die nach dem 1950 geltenden Strafgesetzbuch 20 Jahre betrug.

Fred Stark, der mit seinem dreijährigen Sohn 1951 in die Bundesrepublik geflüchtet war, lebte zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr. Georg J. Schilling-Werra setzte sich jedoch für eine Wiederaufnahme der Strafverfolgung ein. Der Tod seiner Schwester ist Gegenstand seines Romans „Eines Tages werde ich dich töten“ (1993) sowie des Hör- und Theaterspiels „Heimlich nach Deutschland“ (1994).


Biografie von Irmgard Stark, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/9-irmgard-stark/, Letzter Zugriff: 21.11.2024