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Biografisches Handbuch

Uwe Weiskopf

geboren am 28. April 1957 in Leipzig | ertrunken in der Zeit vom 14. bis zum 23. November 1986 | Ort des Vorfalls: Ostsee
BildunterschriftUwe Weiskopf 1985.
BildquellePrivatsammlung Tilo Weiskopf.
Quelle: Privatsammlung Tilo Weiskopf.
Der Leipziger Uwe Weiskopf war Schallplattenunterhalter mit großem Freiheitsdrang. Mitte November 1986 versuchte der 29-Jährige mit einem kleinen Sportboot, das er mit einem großen Außenbordmotor versehen hatte, von Heiligendamm aus Westdeutschland zu erreichen. Sein Leichnam wurde am 23. November 1986 an der Südküste Lollands geborgen.

Uwe Joachim Weiskopf kam am 28. April des Jahres 1957 als zweites Kind einer alteingesessenen Leipziger Familie zur Welt. Er hatte eine zwei Jahre ältere Schwester. Anfang der 1970er Jahre wurde sein jüngerer Bruder als drittes Kind in die Familie geboren. Seine Eltern waren promovierte Zahnmediziner, der Vater zudem promovierter Mediziner und Klinikdirektor an der Leipziger Karl-Marx-Universität. Er bekleidete viele Ämter und gehörte – ohne jedoch SED-Mitglied zu sein – zum Reisekader der DDR. Unter anderem war er Präsidiumsmitglied des Nationalen Olympischen Komitees der DDR. Die Mutter war als Kieferorthopädin selbständig tätig.

Uwe Weiskopf war schon in jungen Jahren unangepasst und aufmüpfig, sowohl in der Schule als auch im Wehrdienst machte sich dies bemerkbar. Nach dem Abitur absolvierte er – wohl auch eher aus einer Protesthaltung heraus – eine Ausbildung zum Zerspaner. Seinen Grundwehrdienst bei der NVA leistete er im etwa 80 Kilometer östlich von Leipzig gelegenen Zeithain ab. Hier bekam er häufiger Strafen auferlegt, weil er Regeln nicht befolgte. Mehrfach verließ er beispielsweise die Kaserne unerlaubt und machte Fahrten mit seinem Motorrad, das er bei einem Bauern untergestellt hatte.

In seinem erlernten Beruf war er nie wirklich tätig. Seinen Lebensunterhalt konnte er lange Jahre als staatlich geprüfter Schallplattenunterhalter verdienen und damit zugleich seiner Leidenschaft für das Nachtleben frönen.

Die Technik für seine mobile Diskothek hatte er sich mit Unterstützung seiner Tante und seines Onkels, die in Westdeutschland lebten, besorgt. Von dem Geld, das er hiermit verdiente, konnte er sich einen VW-Bus kaufen und fuhr damit unter anderem durch die Sowjetunion.

Der freiheitsliebende Uwe wollte die DDR verlassen. Schon als er noch zu Hause lebte und die Familie den Vater des Öfteren vom Flughafen abholte, war Uwe seine Sehnsucht rauszukommen, unbegrenzt reisen zu können, anzumerken. Im Juni 1976 beantragte er erstmalig die Übersiedlung ins westliche Ausland. Nach der Rücknahme des Gesuchs im Dezember 1977 reichte er im April 1984 einen weiteren Antrag auf dauerhafte Ausreise ein. Die DDR-Institutionen stuften ihn als „hartnäckigen Übersiedlungsersuchenden” ein. Auch schrieb er mehrfach Briefe an Erich Honecker und trat 1986 zudem als Nichtwähler in Erscheinung.

Die Verbindung zu seiner Familie ist trotz dessen nie abgerissen: Sonntags kamen die Weiskopfs regelmäßig zum Essen zusammen. Die Eltern waren sehr liberal und haben auch akzeptiert, dass Uwe 1983 seine langjährige Partnerin im Stillen, ohne Feierlichkeiten geheiratet hatte.

1986 haben sich seine Pläne für das Verlassen der DDR konkretisiert – jedoch in anderer Hinsicht als bis dato. Im Sommer erwarb der geübte Bastler für 3.200 Mark ein kleines Sportboot, das für eine Person ausgelegt war. Anfang November kaufte er zudem für 6.200 Mark in Berlin einen Yamaha-Außenbordmotor. Die Familie hatte ein Grundstück im damaligen Kreis Königs Wusterhausen in der Gemeinde Heidesee. Der kleine Ort lag in der Nähe vieler Seen und der Dahme, das Grundstück wiederum befand sich sehr abgelegen im Wald. In einer selbst errichteten Garage bearbeitete er das Boot und malte es schwarz an. Am 5. November brach er von hier aus zu einer Testfahrt mit Boot und Motor auf. In wenigen Stunden erreichte er Berlin und wurde hier von der Wasserschutzpolizei Friedrichshain zur Mittagszeit gestoppt, nachdem er unerlaubterweise in die Grenzgewässer eingefahren war.

Weiskopf wurde mit auf die Wache der Volkspolizei Friedrichshain genommen und verhört. Er gab an, die Hinweisschilder zum Befahren der Grenzgewässer übersehen zu haben. Seinen Aussagen zufolge wollte er lediglich den Motor einem Dauertest unterziehen, was ihm der Inhaber der Firma, von der er den Motor erworben hatte, geraten habe. Entschieden bestritt er den Vorwurf der Absicht zum ungesetzlichen Verlassen der DDR. Letztlich bestätigte sich auch für die Polizisten der Vorwurf nicht, sodass er am Nachmittag des 6. November wieder gehen konnte. Es wurde ein Ordnungsstrafverfahren in Höhe von 300 Mark gegen ihn eingeleitet und das Boot blieb bis zum amtlich erbrachten Eigentumsnachweis in Verwahrung der Wasserschutzpolizei.

Bereits am Folgetag holten sein Vater und er das Boot ab und brachten es wieder zum Grundstück der Familie südöstlich von Berlin. An diesem 7. November 1986 sahen sich Uwe und sein Vater zum letzten Mal. Der Sohn berichtete, er habe Urlaub und werde den neuen Außenbordmotor auf der Müritz einfahren. Diese Geschichte schien er auch dem Bürgermeister des kleinen Örtchens erzählt zu haben. Dieser – wie auch zuvor der Verkäufer des Motors – warnten ihn davor, den Motor für das kleine Boot nutzen zu wollen.

Nichtsdestotrotz hat sich Uwe Weiskopf am 14. oder 15. November mit dem Boot und dem Yamaha-Motor nicht auf die Müritz, sondern auf die Ostsee begeben, um aus der DDR zu fliehen. Am 14. rief er seine Partnerin an und sagte: „Jetzt geht’s los!“. Sie wollten gemeinsam die DDR verlassen; vermutlich wollte er sie nachholen, wenn er es nach Westdeutschland geschafft hatte.

Anwohner fanden am 15. November im Waldgebiet zwischen Heiligendamm und Börgerende-Rethwisch, südlich des Conventer Sees, einen gelben Pkw Moskwitsch und einen Bootsanhänger auf dem Damm eines Kanals bzw. im Wasser des Kanals. Dieser Kanal hatte eine Breite von circa 4,5 Metern und führte aus dem Hinterland direkt zur Ostsee.

Unter dem Bootsanhänger wurden abmontierte Nummernschilder mit Leipziger Kennzeichen gefunden. Im Auto befanden sich eine Karte des Bezirks Rostock, Schuhe sowie zwei leere 20-Liter-Kanister für Vergaserkraftstoff im Kofferraum. Im Graben wurden zudem Bekleidungsgegenstände und Abdeckplanen entdeckt. Vom Abstellort der Fahrzeuge bis zum Zugang zur Ostsee – über die so genannte Jemnitzschleuse – waren es circa 1,8 Kilometer. Die Schleuse war seit dem 13. November geöffnet und konnte von einem kleinen Boot problemlos durchfahren werden.

Uwe Weiskopf hat sich also im bewaldeten Hinterland unbemerkt in den Kanal begeben und ist durch die Schleuse auf die Ostsee gelangt. Die Flucht in den Westen ist dem 29-Jährigen jedoch nicht geglückt. Seine Leiche wurde am 23. November 1986 im Hafen von Rødby geborgen.

Sein Leichnam war bekleidet mit einem Taucheranzug, seine Papiere hingen in einem Lederbeutel um seinen Hals. Bei der Leichenschau in einem dänischen Krankenhaus in der Nähe des Fundortes wurden keine Zeichen von Gewalteinwirkung und der Tod durch Ertrinken festgestellt. Nach der Überführung in die DDR, die der Vater in Berlin beantragt hatte, wurde die Leiche von Uwe Weiskopf in Leipzig bestattet.


Biografie von Uwe Weiskopf, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/396-uwe-weiskopf/, Letzter Zugriff: 19.04.2024