Eiserner Vorhang. Tödliche Fluchten und Rechtsbeugung
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Biografisches Handbuch
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Siegfried Henike

Geboren am 9. August 1941 in Jeebel, Ortsteil von Salzwedel | getötet durch Minenexplosion am 7. Juli 1968, geborgen am 2. August 1968 | Ort des Vorfalls: bei Jeebel (Sachsen-Anhalt)

Quelle: Privat, Irma Schulz

Nach dem Besuch einer Tanzveranstaltung am 6. Juli 1968 in Riebau kehrte der 26-Jährige nicht nach Hause zurück. Erst vier Wochen später, am 2. August 1968 wurden seine sterblichen Überreste in einer Drahtminensperre nahe seines Heimatortes aufgefunden.

Der 26-jährige Ofensetzermeister Siegfried Henike aus Oppeln vergnügte sich am sommerlichen Samstagabend des 6. Juli 1968 auf einer Tanzveranstaltung im Nachbarort Riebau. Nach dem Ende der Veranstaltung gegen 1 Uhr zog er mit zwei Bekannten weiter, um in der Wohnung des einen, es handelte sich um einen Politoffizier der Grenztruppen, in kleiner Runde weiter zu feiern. Nachdem auch dieser gesellige Ausklang sein Ende gefunden hatte, machte sich Henike auf den Heimweg. Nach Aussage der Mutter habe der Politoffizier ihren Sohn noch bis zum Ortsausgang Riebau begleitet. Von dort verliert sich jede Spur. Siegfried Henike muss weitere eineinhalb Kilometer in Richtung Norden, zu den Grenzsperranlagen, gelaufen sein.

Am nächsten Morgen begannen Siegfried Henikes Eltern Nachforschungen nach ihrem Sohn anzustellen. Sie befragten Anwohner im Heimatort Jeebel und gaben schließlich eine Vermisstenanzeige auf. Am Mittag des 8. Juli 1968 veranlasste der Stab des Grenzregiments 24 eine Überprüfung der Grenzsperranlagen, die jedoch ergebnislos blieb. Eine Verletzung der Grenze in den entsprechenden Abschnitten war nicht feststellbar. Erst vier Wochen später, am 2. August 1968, bemerkten Grenzsoldaten während ihrer Ausbildungsübungen in jenem Abschnitt der Jeebeler Waldschneise einen starken Verwesungsgeruch. Daraufhin erfolgte eine erneute Prüfung der Sperranlagen. Innerhalb des Doppelzaunes auf dem Minenfeld entdeckten Grenzsoldaten eine bereits stark verweste Leiche. Es handelte sich um die sterblichen Überreste von Siegfried Henike. Durch den starken Unkrautbewuchs vor und in der Drahtminensperre war die Fundstelle des Leichnams zuvor nicht einsehbar gewesen.

Der Bürgermeister der Gemeinde teilte den Hinterbliebenen am gleichen Tag den Tod ihres Sohnes im Minengürtel mit. Zunächst bezweifelten seine Angehörigen, dass Siegfried Henike durch eine Minenexplosion verunglückt war. Mehrere Einwohner des Heimatdorfes gaben an, in der Nacht vom 6. auf den 7. Juli 1968 Schüsse von der nahen Grenze gehört zu haben. Zudem soll Henike auch gewusst haben, dass die Grenze vermint war. Deshalb ging das Gerücht um, er sei erschossen und dann über den Zaun geschafft worden, um die Tat zu vertuschen. Die Untersuchung der Leiche beseitigte jedoch die Zweifel über die Todesumstände. Die Minenexplosion riss Siegfried Henike den linken Fuß ab und führte zu weiteren schweren Verletzungen an seinem linken Bein. Der Tod trat durch Verblutung infolge der Verletzungen ein. Zeichen anderer Gewalteinwirkung wurden von den Obduzenten nicht festgestellt. Am 12. August 1968 sollten die Eltern ihren verstorbenen Sohn identifizieren. Seine sterblichen Überreste durften sie jedoch nicht mehr sehen. Man legte ihnen zur Identifikation lediglich seine Uhr und seine Manschettenknöpfe vor. Die Beisetzung Siegfried Henikes fand am 15. August 1968 statt.

In der Nacht des Verschwindens von Siegfried Henike war ein Gewitter über die Gegend gezogen, möglicherweise nahmen deshalb weder Anwohner noch Grenzwachen die Minendetonation wahr. Die strafrechtlichen Ermittlungen in den 1990er Jahren bestätigten das Ergebnis der Obduktion von 1968. Ob Siegfried Henike aufgrund von angeblichen Zwistigkeiten mit seinen Eltern die Grenzanlagen überwinden und in die Bundesrepublik gelangen wollte oder alkoholisiert in das Minenfeld lief, konnte nicht geklärt werden. Im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in den 1990er Jahren wurde der damalige stellvertretende Kommandeur und Stabschef der 5. Grenzbrigade wegen Beihilfe zu versuchtem Totschlag zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Autorin:
MP
Recherche:
jos., MP, St.A, US
Quellen:
  • MfS/HA I: Information über die Bergung von Grenzverletzern aus der Minensperre vom 18.6.69. BStU, ZA, MfS, HA I, Nr. 5755, Bd. 1.
  • StA II bei dem LG Berlin: Ermittlungsverfahren z. N. Siegfried Henike. LAB, D Rep. 120–02, Acc. 8346, Az. 25/2 Js 354/91.
  • StA Magdeburg: Ermittlungsverfahren z. N. Siegfried Henike. StA Magdeburg, 653 Js 24417/97.
  • Urteil des LG Magdeburg vom 9.2.2000, 502 Ks – 652 Js 24417/97–20/97. Sammlung Marxen/ Werle, Humboldt-Universität zu Berlin.
  • Stadtarchiv Salzwedel: Sterbeeintrag Siegfried Henike Nr. 10/1968, Auskunft vom 20.4.2017.
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Abkürzungsverzeichnis
Name
Henike, Siegfried
Geschlecht
männlich
Geburtsdatum
9. August 1941
Geburtsort
Jeebel, Ortsteil von Salzwedel
Letzter Wohnort
Jeebel, Ortsteil von Salzwedel
Staat des Vorfalls
DDR
Region des Vorfalls
Sachsen-Anhalt
Ort des Vorfalls
bei Jeebel
Todesursache
Minen
Datum des Vorfalls
7. Juli 1968
Ergänzendes Datum
2. August 1968
Todesalter
26
Teilprojekt
innerdeutsche Grenze
Fallgruppe
bei Fluchtversuchen
Personengruppe
Zivilisten / DDR
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