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Biografisches Handbuch

Peter Eck

geboren am 27. Mai 1944 in Schmalkalden | getötet durch Minenexplosion zwischen dem 21. und 22. April 1968 | Ort des Vorfalls: Zwischen Kaltenwestheim (Thüringen) und Kleinfischbach (Hessen)
BildunterschriftPeter Eck
BildquelleLATh-StAMGN, Personalausweisantragskartei der VPKAE des Bezirkes Suhl
Quelle: LATh-StAMGN, Personalausweisantragskartei der VPKAE des Bezirkes Suhl
Peter Eck galt als „Krawallmacher“ in Schmalkalden. Nach zwei Haftstrafen und einigen Erziehungsmaßnahmen entschied er sich gemeinsam mit einem Freund zur Flucht in die Bundesrepublik.

Wolfgang Fischer berichtete später, dass es ein mächtiger Knall war, der ihn zu Boden riss, als er mit seinem Freund Peter Eck über den Minenstreifen lief. „Dreck flog mir in die Augen, ich konnte nichts mehr hören und sehen. Ich bin an den dritten Drahtzaun herangesprungen, zog mich hoch und sprang darüber. Aus Angst und vollkommen kopflos lief ich in den angrenzenden Wald und rief um Hilfe.“ Für die Bauern aus Kleinfischbach in der hessischen Rhön bot sich ein erschreckender Anblick, als Wolfgang Fischer, im Gesicht und am linken Bein blutend, am Abend des 21. Aprils 1968 in ihr Dorf taumelte und um Wasser bat. Sofort benachrichtigten sie das Zollkommissariat in Tann und einen Arzt. Noch bevor dieser den Verletzten in das Städtische Krankenhaus Fulda einwies, befragte ein Zollbeamter Wolfgang Fischer nach der Stelle des Durchbruchs und nach möglichen Mitflüchtlingen. Er habe allein die Grenzanlagen überwunden, erklärte Fischer, sichtlich verwirrt.

Den Ort des Durchbruchs konnte er angeben: ein Grenzknick nahe der Quelle des Flusses Lotte, etwa zwei Kilometer von Fischbach entfernt. Dann verlor er bis zum nächsten Tag das Bewusstsein. Am Morgen des 22. April begab sich der Zollbeamte, der Fischer am Vortag befragt hatte, an die Grenze, um die Durchbruchsstelle zu erkunden. Doch was er hier sah, erfüllte seine schlimmsten Befürchtungen. Nur zehn Meter östlich der Demarkationslinie lag eine männliche Leiche, die schwere Verletzungen im Gesicht und an den Beinen aufwies. Nun war klar, dass dieser Fluchtversuch auch ein Todesopfer gefordert hatte.

Gegen 12.30 Uhr hörten zwei Grenzposten der DDR Grenztruppen, dass ihnen jemand, der jenseits der Grenzanlagen stand, etwas zurief. Sie gingen näher auf den Rufenden zu und erkannten sechs Angehörige des Zollgrenzdienstes. Da liege ein Toter im Grenzgebiet. Die Soldaten meldeten dies ihrem Führungsstab der Kompanie in Andenhausen. Dieser gab die Information an die Grenzbrigade Kaltennordheim weiter, von der aus das Grenzregiment in Dermbach verständigt wurde. Die Angelegenheit war heikel, denn die Bergung der Leiche würde praktisch vor Augen der bundesdeutschen Öffentlichkeit stattfinden. Entsprechende Medienberichte waren absehbar. Eine gegen 14 Uhr entsandte Offiziersstreife bemerkte, dass zu den sechs Angehörigen des Zolls noch vier Beamte des Bundesgrenzschutzes und 25 Zivilpersonen, die mit Fotoapparaten und Kameras bereitstanden, hinzugekommen waren. Es dauerte noch gut zwei Stunden, bis Offiziere der Grenzbrigade Meiningen die Minensperre öffneten. Sie hatten ihre Dienstgradabzeichen abgelegt und stattdessen Rotkreuz-Armbinden übergezogen. Auf einer Bahre trugen sie den Toten ins Hinterland, wo er als Peter Eck identifiziert wurde. Noch am gleichen Tag wurde die Leiche dem Volkspolizeikreisamt Schmalkalden übergeben. Dieses hatte bereits ein Ermittlungsverfahren gegen Peter Eck und Wolfgang Fischer wegen Verstoßes gegen das Passgesetz eingeleitet.

Peter Eck galt in Schmalkalden als „Krawallmacher“ und stand unter Personenkontrolle der Volkspolizei. Da er wegen Körperverletzung, staatsgefährdender Propaganda und Hetze vorbestraft war, hatte man gesellschaftliche Erziehungsmaßnahmen gegen ihn verhängt. Ihm wurde vorgeworfen, zu einer Gruppe von Jugendlichen gehört zu haben, die einen Angehörigen der DDR-Armee und einen FDJ-Funktionär niedergeschlagen hatte. Sie hätten außerdem junge Frauen im Internat belästigt, öffentlich die Wehrpflicht abgelehnt, Plakate zum 1. Mai und zur Volkskammerwahl von den Wänden gerissen, hätten des Nachts in Schmalkalden an Haustüren geklingelt und gegen Verkehrsschilder geschlagen. Diese Jugendlichen gehörten zu einer Generation, die noch während des Zweiten Weltkriegs geboren, aber schon in der DDR zur Schule gegangen war. Ihre Biografien wiesen ähnliche Züge auf: Sie kamen oft aus zerfallenen Arbeiterfamilien, für eine Schulbildung waren sie nicht aufnahmebereit, meist wurden sie von der Grund- in die Hilfsschule überwiesen, aus der man sie nach der 7. Klasse ins Berufsleben entließ, aber auch dort fanden sie sich oft nicht zurecht. Peter Eck, dessen Vater der Wirt des Berggasthauses Queste war, verliess vorzeitig die Schule und begann eine Dachdeckerlehre, die er jedoch nach knapp drei Jahren abbrach.

1962 und 1966 verbüßte er jeweils zehnmonatige Haftstrafen. Er arbeitete als Dachdeckergehilfe und Schmied, es folgten mehrere Hilfsarbeiterjobs, und schließlich trug er Kohle aus. In keiner Anstellung blieb er länger als einige Monate, nirgends wurde er länger geduldet. Er wohnte in einem mit Möbeln vollgestellten Hinterzimmer der Berggaststätte und sehnte sich danach, zu seiner Halbschwester nach Oberösterreich zu ziehen.

Am Sonntag, dem 20. August 1968, entschieden sich Peter Eck und Wolfgang Fischer gemeinsam zur Flucht in die Bundesrepublik. Mit einem gestohlenen Motorrad fuhren sie in die Nähe von Kaltennordheim. Von dort aus gingen sie zu Fuß in ein Waldstück, in dem sie übernachteten. Am Nachmittag des nächsten Tages sahen sie bei Kaltenwestheim Schilder mit der Aufschrift „Grenzgebiet, Betreten verboten!“ Sie befanden sich nun im Sperrgebiet der Grenzkompanie Unterweid. Bis zum Einbruch der Dunkelheit versteckten sie sich, dann überkletterten sie die ersten beiden Metallzäune und liefen, in der Annahme bereits Alarm ausgelöst zu haben, ins Minenfeld. Drei Tage später lag der 23-jährige Peter Eck auf dem Obduktionstisch des Kreiskrankenhauses Schmalkalden, wo festgestellt wurde, dass sein linker Fuß und sein Unterschenkel zerfetzt worden waren. Peter Eck war verblutet, und die größte Sorge des MfS war, wie man den Hinweis des Regimentsarztes auf die Minenexplosion unauffällig wieder aus dem Totenschein entfernen könnte.

Wolfgang Fischer kam nur eineinhalb Jahre nach seiner geglückten Flucht bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Das Landgericht Meiningen verurteilte den Stabschef der 11. Grenzbrigade Meiningen am 1. April 1998 unter anderem wegen der Installation der Minenfelder zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.


Biografie von Peter Eck, Biografisches Handbuch "Eiserner Vorhang" https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/article/163-peter-eck/, Letzter Zugriff: 18.04.2024